Artikel verfasst von Frank Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Kein Schlussstrich“

Taudy Pathmanathan arbeitet in der Erwachsenenbildung, organisiert PoC-Events und hat einen Gedichtband herausgegeben. Die 32-jährige gebürtige Wolfenbüttlerin mit tamilischen Wurzeln spricht mit Frank über Schulfahrten mit dem Taxi, warum andere in ihr Rosa Parks sahen und wieso sie Kanakistan gründete.

„Ich war ein braves Kind“

Taudy wird im August 1990 in Wolfenbüttel, Niedersachsen, geboren. Zusammen mit ihren tamilischen Eltern und ihrer älteren Schwester wächst sie in einem „Vordorf von einem Dorf“ auf. Ihren Eltern, vor allem ihrer Mutter, ist wichtig, dass die Kids sich anpassen und „draußen“ deutsch sprechen und sauber gekleidet sind.

„Ich war ein braves Kind, angepasst und wollte nicht auffallen. Wenn andere gefragt haben, was es bei uns zu essen gibt, habe ich immer gesagt: Nudeln mit Tomatensoße – weil es das bei allen gab.“

Erst als sie aufs Gymnasium in der nächstgrößeren Stadt wechselt, merkt, dass sie als anders wahrgenommen wird, zum Teil auch als Schwarz gelesen.

„Ich fand das nicht schlimm. Ich war froh, überhaupt irgendeine Rolle zu bekommen. Das war das erste Mal, dass die anderen mich gesehen haben.“

Bei Verwandtenbesuche in England lernt sie ein ganz anderes Umfeld als ihres kennen. Hier, in London, gibt es tamilische Musik und tamilisches Essen, mit einer Selbstverständlichkeit, die sie nicht kannte. „Das war aufregend und kurios.“ Nach und nach traut auch sie sich, ihre Freundinnen und Schulkamerad*innen mit nach Hause zu bringen.

Identitätsfindung beim Freiwilligendienst

Was sie sehr prägt, ist ihr Freiwilligendienst nach dem Abi. Sie organisiert Freizeitoptionen für Menschen mit Behinderung – und findet dabei ihre Berufung.

„Das hat mich sehr geprägt. Das war das erste Mal, dass ich gemerkt habe: Ich habe eine eigene Identität, die nicht Mitläuferin ist und die nicht von außen an mich herangetragen wird. Ich leiste was, wofür ich Anerkennung bekomme und Spaß habe und ich merke, dass die Leute mich, so wie ich bin, ganz gut finden.“

Sie arbeitet mit Kindern und Jugendlichen und gibt heute Workshops in der Erwachsenenbildung.

Studieren in Erfurt: Ich war so geschockt

Prägend ist auch die Studienzeit in Erfurt. Hier nimmt sie zum ersten Mal bewusst direkten und subtilen Rassismus wahr. Bei ihrer ersten Demo gegen die NPD ist sie schockiert über das phänotypisch durchschnittliche Erscheinungsbild von Rechten.

„Ich war so schockiert davon, dass da Leute standen, die keine Springerstiefel und Glatze hatten, sondern einen Anzug trugen und die Nachbarn von nebenan hätten sein können. Ich habe so eine Angst bekommen, weil ich dachte: Es könnten überall Nazis sein. Das war auf jedenfall so ein Puh-Moment, in dem ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte.“

Aber es ist auch eine wichtige Zeit, findet Taudy. Ohne sie würde sie heute keinen Aktivismus machen.

Kanakistan: Events für und mit PoC

Mit einem Freund, Tamer Düzyol, gründet sie die Eventreihe „Kanakistan“. Veranstaltungen von und für People of Color in Erfurt. „Wir haben Verbindung gebraucht.“ 2018 bringen die beiden den Gedichtband „Haymatlos“ heraus, wo „Gedichte mit Bezug zu Rassismuserfahrungen, Migrations- und Familiengeschichten, Sehnsucht nach „Normalität“ uvm.“ gesammelt präsentiert werden.

Und auch wenn es nicht immer ungefährlich ist, Veranstaltungen gegen Rechts in einem rechten Umfeld zu organisieren oder zu besuchen, findet es Taudy wichtig, trotzdem hinzugehen. Auch wenn sie bei Engagements in bestimmten Gegenden Bauchschmerzen hat, wie zum Beispiel im Rahmen von „Kein Schlussstrich!, wo sie in Rudolfstadt eine Lesung gegeben hat.“

„Solche Veranstaltungen sind natürlich sehr emotional, aber ich finde sie wichtig, um Aufklärung zu betreiben, andere Perspektiven aufzuzeigen und auch das Engagements der Jugendlichen zu sehen und wertzuschätzen, die sich einsetzen und was verändern wollen gegen diese Nazistrukturen.“

Diese Folge ist entstanden in Kooperation mit „Kein Schlussstrich! Ein bundesweites Theaterprojekt zum NSU. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms „Demokratie leben!.