Artikel verfasst von Frank Joung

Melina Borčak ist eine bosnische Journalistin. Die 33-Jährige spricht über ignorierte Kriegsverbrechen, Container als Zuhause und ihre eigene Abschiebung. Über antimuslimischen Rassismus, Genozid in Bosnien, aber auch über getönte Haare, Nationalblumen und Kuscheltiernamen.

Die Schwere des Krieges

Melina wird 1990 in Foča geboren. Doch nur zwei Jahre später muss die Familie flüchten. Nach monatelanger Flucht über mehrere europäische Stationen landet Melinas Familie in Deutschland, wo sie in Container-Unterkünften unterkommen. „Da beginnen meine erste Erinnerungen.“

Der Krieg, die Flucht, der Genozid – das alles schwingt in Melinas Leben ständig mit. Sie spürt eine Schwere. Im Kindergarten malt sie obsessiv die Nationalblume Bosniens. Als sie im Fernsehen sieht, wie Faschisten die Flagge Bosniens verbrennen, denkt sie, das sei die einzige Fahne des Landes.

„Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der ich nicht Bomben und Krieg kannte.“

„Freiwillige“ Abschiebung

Als der Krieg 1996 endet, wird der Familie nahegelegt, nach Bosnien zurückzukehren, sie würde sonst – auf eigene Kosten – abgeschoben. Die Familie geht nach Sarajevo, in ihr Heimatdorf darf sie nicht zurück. „Da waren wir das Flüchtlinge im eigenen Land.“ Das Land ist zerbombt, zerstört und traumatisiert. Es gibt kein fließendes Wasser, dafür Landminen auf Spielplätzen.

Als Teenagerin sei sie die „coolste Person“ gewesen, sagt Melina mit einem Lächeln. Rebellisch und hyperpolitisch, sie habe sich nichts sagen lassen. Doch die Faszination für Deutschland lässt nicht nach. Als junge Erwachsene recherchiert sie ausgiebig, wie sie nach Deutschland zurückkehren kann. Als Studierende und Stipendiatin geht sie 2015 nach Berlin.

Frust im Sehnsuchtsort

Sie arbeitet für verschiedene Institutionen und Medien, klärt auf über den Genozid in Bosnien – und ist schockiert über den Rassismus, die Ignoranz und die Unwissenheit über den Krieg. Sie eckt an mit ihrer direkten, schonungslosen Art, die Dinge beim Namen zu nennen. Mittlerweile lebt sie die Hälfte des Jahres in Bosnien und die andere in Berlin – der Ausgleich tue ihr gut.

Im Oktober 2023 erschien ihr Buch „Mekka hier, Mekka da – wie wir über den anitimuslimischen Rassismus sprechen müssen“ (Hanser). Der Schreibprozess sei easy gewesen, berichtet Melina. Die Verkaufszahlen sowie das Feedback bislang sei sehr gut, nur die deutschen Redaktionen wollen nicht so gern berichten. Es sei zu „flapsig“ geschrieben, meint ein Journalist. „Es ist halt so geschrieben, wie ich spreche“, sagt Melina. „Und ich habe es so geschrieben, damit es alle verstehen können.“

Weitere Themen: die ersten Bücherverbrennungen, die Anerkennung von Vergewaltigungs-Camps, Korruptionsskandal in der Schule, Kuscheltiernamen, Fiktionsbescheinigung, Bosnien-Vermissung und wie sich Melina die Haare tönt.