Artikel verfasst von Frank Joung

„Ich wurde in Ämtern sozialisiert“, sagt Hassan Akkouch. Der Deutsche libanesischer Herkunft musste fast drei Dekaden auf seinen deutschen Pass warten. Im Gespräch mit Frank spricht der 34-jährige Schauspieler und frühere Breakdancer über die traumatische Abschiebung der Familie, wie er auf der Schauspielschule herausfand, dass er Neuköllner ist und Fastenbrechen in der Ausländerbehörde.

Hassan wird im Juli 1988 im Libanon geboren. Zwei Jahre später fliehen seine Eltern mit den Kindern nach Deutschland. Drei Jahre lang lebt die Familie in Flüchtlingsheimen. Auch da wird Hassan schon klar, dass es verschiedene Lebenswelten gibt. „Nebenan war ein Kindergarten – und wir durften da nie rein. Das war richtig schlimm.“ Hassan hat nie eine Kita besucht.

Abschiebung um 4 Uhr nachts

In der sechsten Klasse wechselt er die Schule und bekommt nebenbei mit, dass er und seine Familienmitglieder keine Pässe haben – ein Umstand, der ihn noch einen Großteil seines Lebens beschäftigen wird. Eines Nachts klopft die Polizei die Familie aus den Betten. Polizisten bringen die Familie zum Flughafen. Sie werden in ein Flugzeug in den Libanon gesetzt. „Und weißt du warum? Man sagte uns: Weil die Flüge so billig sind.“ Die Abschiebung ist ein traumatisches Erlebnis für alle Familienmitglieder.

„Du bist die ganze Zeit eingesperrt: Sie holen uns mit dem Auto ab – eingesperrt. Dann sind wir einer Zelle – eingesperrt. Dann im Flugzeug – eingesperrt, dann im Flughafen – eingesperrt. Im nächsten Flieger – eingesperrt. Und dann kommst du im Libanon raus – eingesperrt. Weil du das Land nicht verlassen darfst.“

Doch die Familie kehrt zurück („Ich kann leider keine Details nennen“). Die Abschiebung ist illegal, seine Schwester und er versuchen, die Familie mit Jobs über Wasser zu halten. Seine Schwester macht eine Ausbildung, Hassan verdient Geld mit Breakdance-Auftritten und macht sein Abi. Doch ständig droht eine erneute Beendigung der Duldung. Den Prozess haben die Filmemacher Agostino Imondi und Dietmar Ratsch in einer Doku festgehalten. „Neukölln Unlimited“ zeigt den täglichen Struggle und jahrelangen Kampf der Geschwister Lial, Hassan und Maradona. Ihr Ziel: Dass sie dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen.

Der ganze Film ist in der Mediathek der Bundeszentrale für politische Bildung zu sehen: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/neukoelln-unlimited/

Nach dem Film, der international ein Erfolg ist, hat Hassan die Idee, Schauspieler zu werden. Das professionelle Tanzen will er aufgeben. Das sei stumpf geworden, eine Abfertigung und er als Tänzer austauschbar. „Wer die Choreo kann, kann dich ersetzen. Ich wollte, dass man mich nimmt, weil ich ich bin.“

Es geht auch gut los: Eine Agentur nimmt ihn auf, er bekommt erste kleinere Rollen – auch wenn er oft als Kleingangster eingesetzt wird. „Ich musste (in den Szenen) ständig weglaufen“, sagt er und lacht. Aber er erhält auch Gegenwind. Auf der renommierten Ernst-Busch-Schauspielschule spiegelt man ihm, dass er genauso gespielt habe, „wie man das von einem Neuköllner erwarte“.

„Ich wurde in Ämtern sozialisiert“

„Das ganze Identitätsthema kam erst mit der Schauspielschule. Ich wollte auf die Schauspielschule, um herauszufinden, wer ich bin und wurde dann damit konfrontiert, dass ich jemand für andere Menschen bin, der ich gar nicht bin oder sein wollte oder mir nicht bewusst war, dass ich es bin.“

Auch wird ihm klar, dass er Zeit seines Lebens nur daran denkt, ins „Erfüllen“ zu kommen. „Ich wurde sozialisiert in Ämtern. Ich kannte die Ausländerbehörde besser als unser Wohnzimmer, übertrieben gesagt. Ich musste ständig Sachen erbringen und beweisen. Auf der Schauspielschule musste ich mich von diesen Strukturen befreien, damit brechen und lernen, anders zu denken.“

Als er mit 29 Jahren endlich eingebürgert wird, wird ihm schmerzhaft klar, wie wenig Wert diese „Beweise“ haben. Dass das alles eine Farce ist. Er hat einen ein dicken Hefter dabei, mit Auszeichnungen, Urkunden und Belegen. „Ich habe ein Leben lang Empfehlungsschreiben gesammelt – und dann habe ich sie gar nicht gebraucht. Niemand wollte die sehen.“

Weitere Themen: Wie Hassan Fußballspielspielen vor Mobbing rettete, wann ihn die Abschiebung beim Schauspielen einholte und warum die Familie zum Fastenbrechen in der Ausländerbehörde war. Honborable Mentions: Flying Steps, 4 Blocks und Felix Lohbrecht.

Hassan auf Instagram: @therealhassun