Amie Savage hat gambisch-deutsche Wurzeln. Die 22-Jährige ist in Neuss geboren und spricht mit Frank über anstrengendes, barrierevolles Reisen, „afrikanische Vibes“ – und leuchtende Augen, die ihre Seele erquicken.
Amie wird im November 2000 in Neuss geboren. Ihre Mutter hatte ihren Vater in einer Disco kennengelernt – ohne, dass er anwesend war. Sie las nur ein Gedicht von ihm und sah ein Foto. „Únd da dachte sie, was für ein toller Mann“, erzählt Amie.
Später lernen die beiden sich persönlich kennen und werden ein Paar. Für zwei Jahre gehen sie zusammen nach Gambia, dem Geburtsland des Vaters. Die Familien auf beiden Seiten sehen die weiß-schwarze Liebesbeziehung als kritisch. Als Amies Mutter schwer an Malaria erkrankt, kehren die beiden nach Deutschland zurück.
„Ich bin kein Fehler, ich bin richtig so“
Auch die Schwangerschaft des ersten Kindes verläuft schwierig. Im sechsten Monat wird Amies Mutter eröffnet, dass ihr Kind höchstwahrscheinlich mit einer Behinderung zur Welt kommen würde. Der Arzt stellt ihr ein 48-Stunden-Ultimatum – für die Mutter eine traumatische Erfahrung, weil der Arzt ihr nahelegt, dass Kind lieber nicht zu bekommen.
„Wenn man sich meine Arztberichte durchguckt, fragt man sich: Was trifft man da an? Da liest man dann ‚Missbildung‘ oder ‚Fehlbildung‘ und ganz viele weitere Wörter, die für mich diskriminierend sind, weil das suggeriert, dass ich ein Fehler sei. Ich empfinde mich aber nicht als Fehler, ich bin richtig so.“
Amie kommt mit AMC zur Welt: Arthrogryposis multiplex congenita, einer angeborenen Gelenksteife in Armen und Beinen. Sie kann ihre Arme nicht bewegen, aber stehen und etwas gehen.
Zu wenig Inklusion, zu viele Barrieren
Ihre Kindergarten- und Schulzeit hat sie zwiespältig in Erinnerung. Auch wenn es gute Zeiten gab, hat sie doch auch psychische Gewalt erfahren, rassistische Äußerungen von Lehrer*innen oder eben auch eine übertriebene Afrikabegeisterung. „Ich hatte eine Lehrerin, die mich ständig mit Afrika in Verbindung gebracht hat – das war sehr anstrengend.“
Amie fühlt sich oft von der Gesellschaft ausgeschlossen. Reisen zum Beispiel ist für sie sehr schwer. Sie ist auf einen großen elektrischen Rollstuhl angewiesen, den sie mit dem Kinn steuert, und mit dem sie nicht überall hinkommt. Sie wünschte manchmal, dass das Leben und der Alltag leichter sei.
„Ich stelle dabei nicht meine Behinderung oder meine Hautfarbe infrage. Aber ich merke schon, wie ich damit anecke, und dass ich nicht das Doppelte an Energie aufwenden muss, sondern das Zehnfache oder manchmal auch Zwanzigfache.“
Zeichnen als Flucht
Eine einschneidende Erfahrung ist der Tod ihres Vaters, der stirbt, als sie zehn Jahre alt ist. Danach leidet sie an Verlustängsten und Depressionen. „Ich habe mich in meinem Zimmer verbarrikadiert, Animes geschaut und Mangas gelesen – und ich habe angefangen zu zeichnen.“
Zeichnen und Malen ist immer noch ihr größtes Hobby. Sie malt mit dem Mund. Eine Leidenschaft, die sie auch beruflich nutzen möchte. 2020 startet sie zudem mit anderen einen Podcast: Bei „InkluGang: Der erste Podcast mit Rampe“ dreht sich alles rund um das Thema Inklusion.
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Kommentare von Frank Joung