Artikel verfasst von Frank Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Kein Schlussstrich“

Talya Feldman ist eine US-amerikanische Künstlerin. Eine ihrer ersten Erfahrungen, nachdem sie nach Deutschland zog, war der Anschlag in Halle. Sie war in der Synagoge. Wir sprechen über schädigende Narrative, wie Lieder summen heilen kann und warum sie ihre Kunst als Kampf versteht. (Diese Episode ist auf englisch.)

Talya Feldman wurde 1990 in Denver, Colorado, geboren, wo sie auch aufwächst. Sie ist das mittlere von drei Kindern. Ihre Familie ist eingebettet und engagiert sich in einer kleinen jüdischen Gemeinde. Schon früh unterstützen ihre Eltern sie in ihren künstlerischen Bestreben.

In der High School wechselt sie von einer jüdischen Privatschule auf eine größere Public School, die sich auf Kunst spezialisiert hat und auf der sie mehr Möglichkeiten hat. „Das war ungewöhnlich für unsere Gemeinde, aber meine Eltern scheinen irgendwas in mir gesehen zu haben.“

„Ja, da ist viel Schmerz, aber da ist auch Freude, Resilienz und Überleben“

Doch leider lernt Talya auch früh, dass es Menschen gibt, die ihr aus nicht nachvollziehbaren Gründen feindlich gesinnt sind.

„Meine Eltern haben mir es mir auf eine Art und Weise erklärt, die sehr wahr ist. Es ist nichts, was man erklären kann. Auch wenn es hart ist, du musst es akzeptieren. Du musst akzeptieren, dass es Menschen gibt, die dich hassen werden, egal, wer du bist oder was du tust, einfach nur, weil du jüdisch bist.“

Sie erfährt im Laufe ihres Lebens des Öfteren antisemitische Angriffe, aber ihr familäres Umfeld gibt ihr viel Halt und Stärke. Eines ihrer Hauptanliegen als zeitbezogene Medienkünstlerin ist es, die vorherrschenden, oft antisemitischen und rassistischen Narrative zu ändern und eine Alternative anzubieten.

„Ich habe von meiner Familie, meinen Großeltern und meiner (jüdischen) Gemeinde gelernt: Ja, da ist viel Schmerz, aber es gibt auch so viel Freude, Stärke, Resilienz, Widerstand und Überleben.“

Warum ausgerechnet Deutschland?

Für Talya wird die Kunst zum Beruf. Sie lernt in Chicago, New York und Boston, bevor es sie nach Hamburg verschlägt. Auf beiden Seiten – sowohl ihre Familie und Freunde in den USA als auch Menschen in Deutschland – fragen sie oft, warum sie ausgerechnet nach Deutschland gegangen ist. Ein Grund war, dass sie mit ihrer Kunst in den USA selbst in der Kunst- und Collegeszene Ablehnung erfahren habe.

Eine ihrer ersten Erfahrungen in Deutschland war der antisemitische und rassistische Anschlag in Halle 2019. Sie war in der Synagoge, als ein Attentäter versucht, gewaltsam einzudringen. Als es ihm nicht gelingt, tötet er zwei Menschen auf der Straße und im Kiez-Döner. „Ich habe die schlimmste Seite von der deutschen Gesellschaft kennengelernt“, sagt sie. Aber sie bleibt und kämpft – auf ihre Art. Durch Kunst.

„Ich ziehe viel Stärke aus meiner Arbeit“

In ihrer Audio-Installation, wo verschiedene Sprachnachrichten, die von Überlebenden und Familien von Opfern und Initiativen, die gegen den rechten Terror kämpfen, geschickt wurden, wird eine Klanglandschaft hör- und spürbar. Nicht die Gewalt, das Opfersein, das Trauma wird in den Mittelpunkt gerückt, sondern die Solidarität, der Widerstand und die Stärke. Für „The Violence we have witnessed carries a weight on our hearts“ gewinnt sie den renommierten DAGESH-Kunstpreis.

Über Halle möchte sie nicht aus persönlicher Sicht sprechen. Sie möchte sich nicht der Sensationsgier hingeben, sondern lieber ihre Kunst für sich sprechen lassen. Auch wenn sie der Kampf ermüdet. „Ich ziehe auch viel Stärke aus meiner Arbeit.“ Und bei all dem Leid und Schmerz, den rechter Terror und institutioneller Rassismus und Antisemitismus verursacht, gibt es doch immer kleine Hoffnungsschimmer und lichte Momente.

Aus Kiez-Döner wird TEKiEZ

Von einem erzählte sie, als sie an einem Panel im Rahmen von „Kein Schlussstrich!“ teilnimmt. Der Talk – „Why we fight“ – findet im ehemaligen Kiez-Döner statt, einem der Tatorte des Anschlags. Die Besitzer, Ismet und Rifat Tekin, beides Überlebende – haben es zu einem Frühstückscafé umgebaut. Zum dem Gesprächsabend ins „TEKiEZ“ kommen viele verschiedene Menschen, die von anderen rechten Taten betroffen waren. Es sei ein Abend der Solidarität und des Zusammenhalts gewesen, berichtet Talya.

„Du musst immer deinen Raum einfordern und deine Stimme erheben.“

Für das TEKIEZ-Frühstückscafé kann man spenden: https://www.miteinander-ev.de/opferfonds/ Ganz wichtig, Betreff: Spende TEKiEZ

https://www.talyafeldman.net/

Diese Folge ist entstanden in Kooperation mit „Kein Schlussstrich! Ein bundesweites Theaterprojekt zum NSU. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms „Demokratie leben!.