Artikel verfasst von Frank Joung

Am 29. Mai 1993 starben fünf Menschen mit türkischen Wurzeln bei einem Brandanschlag in Solingen. Der Filmemacher Mirza Odabaşı hat zwei Filme darüber gemacht. Im Podcast spricht er über das Trauma, das die türkische Community in Deutschland dadurch erlitt, warum er lange Abitur-Albträume hatte und wieso er die Rapkarriere abbrach, bevor sie so richtig begann.

„Hört uns zu!“ Das wünscht sich Mirza von den Zuschauer*innen seines gleichnamigen Films. Es geht um den Mordanschlag von Solingen, bei dem fünf Menschen, darunter drei Kinder, ums Leben kamen.

  • Gürsün İnce (* 4. Oktober 1965)
  • Hatice Genç (* 20. November 1974)
  • Gülüstan Öztürk (* 14. April 1981)
  • Hülya Genç (* 12. Februar 1984)
  • Saime Genç (* 12. August 1988)

Trauma der türkischen Community

Mirza ist zum Zeitpunkt des Anschlages fünf Jahre alt. Er wohnt in dem nur 20 Autominuten entfernten Remscheid. Ohne mit seinen Eltern darüber zu reden, entfernt er Wappen von seinem türkischen Lieblingsclub vom Fenster. Es sei ein „Startschuss“ gewesen.

„Diese Erfahrung ist die Tür in eine Welt, wo es möglich ist, dass man sterben kann, weil man das ist, was man ist. Das war der Startschuss. Und das blendest du nie wieder aus.“

In der Schule fühlt Mirza sich nicht wohl. Er ist kein guter Schüler. Die Schule „die eine Schule, die divers ist, damit die anderen es nicht sein müssen“, berichtet er.

Abi-Albträume und Hip-JHop-Hampelmann

Seine Kreativität habe er anders genutzt, mit zwölf schreibt er die erste Raptexte, in der 9. Klasse bleibt er allerdings sitzen – ein Warnung und ein Neustart. Danach nimmt er die Schule ernster, macht am Ende sogar Abi. „Die Schulzeit war die sorgenvollste Zeit meines Lebens.“ Lange nach seinem Abi hat er noch Albträume. Dann wacht er nachts auf und fragt sich, ob er das Abitur wirklich geschafft hat.

„Ich habe zwei Kulturen parallel studiert“, sagt Mirza. Deutsche Schule, türkisches Zuhause, deutsches Umfeld, türkischer Kulturverein. Er fühlt sich von Hip Hop angezogen. Endlich eine Welt, die „fair“ war: „Wenn du ein guter Rapper warst, warst du ein guter Rapper, egal, wo du herkommst oder wie du aussiehst.“

Es ist die Welt der Ausgestoßenen. Mit seiner Rapgruppe „Half Moon“ feiert er erste Erfolge, aber als er älter wird, Anfang, Mitte 20 will er nicht mehr den „Hampelmann“ auf der Bühne spielen. Er wolle auf andere Weise mit den Menschen kommunizieren.

Zwei Filme über Solingen

Mirza studiert Kommunikationsdesign, entdeckt durch die Kunst – Fotografie und Filmemachen – einen neuen Zugang zu Emotionen. Sein erstes größeres eigenes Projekt neben Musikvideos ist eine Dokumentation über den Solinger Brandanschlag. „93/13“ heißt der Film, den er in Eigenregie und -Produktion gedreht hat. „Weil es raus musste. Das war Traumabewältigung.“

Nochmal zehn Jahre später, im Mai 2023, erscheint sein zweiter Film über die Brandnacht. Diesmal in Kooperation mit dem WDR. 30 Jahre sind vergangen, aber das Trauma dieses Ereignisses hält an. „Hört uns zu!“ bittet Mirza seine Zuschauer*innen. Hört uns endlich zu!

Ganzer Film zu sehen in der ARD Mediathek.