Artikel verfasst von Frank Joung

Miriam Davoudvandi hat rumänisch-iranische Wurzeln. Die Musikjournalistin, Jahrgang 1992, spricht über traumatische Busfahrten, ihre Krankheit Depression – und Mental Health im Rap.

Der Umzug nach Deutschland sei eine der klarsten Erinnerungen, die sie hat. Miriam ist 6. Ihr iranischer Vater lebt zu diesem Zeitpunkt bereits in Deutschland mit ihren Halbbrüdern. Ihre Mutter und sie sollen nachkommen – im Bus. 48 Stunden lang tuckern sie aus Bukarest in den Süden Deutschlands. Für Miriam ist es ein traumatischer Trip.

Umzug in eine andere Welt

„Ich weiß noch genau, wie dieser Abend ablief, als wir umgezogen sind.“ Miriam erinnert sich an weinende Freunde und Verwandte vor der McDonalds-Filiale, dem Abholpunkt. Sie kennt noch die Gesichter und Menschen, die in dem Bus mitfuhren, an Gerüche und Gefühle. „Mit manchen Leuten haben wir heute noch Kontakt.“ Ihre Mutter weint die ganze Fahrt über.

Bad Säckingen, Deutschland. „Es war eine komplett andere Welt im Schwarzwald. So sauber, so clean. Ich kannte nur Hochhäuser“, sagt Miriam. „Es war einfach nur weird.“ In Bukarest habe sie eine wunderschöne Kindheit verbracht. „Die Stadt war ein Riesen-Abenteuerspielplatz. Plattenbauten waren der Shit, was Schönes.“ Hochhäuser offen wie Puppenstuben und voll mit Leben. Offene Türen, eine Community.

In Bad Säckingen dagegen erlebt sie, wie es ist, wenn man von wohlhabenden Menschen umgeben ist, selbst aber nicht wohlhabend ist.

„Fast schlimmer als migrantisch zu sein, war es, aus einer Arbeiterfamilie zu kommen. Das fand ich belastender – in einem Kaff, wo alle wohlhabend sind, wo es allen gut geht. Das hat viel mehr mit mir gemacht.“

In der Schule ist sie laut eigener Aussage „Overperformer“, immer Klassenbeste, untröstlich bei einer Zwei. Zum Teil geht sie mit tiefer Angst zur Schule. Der krasse Break kommt in der zehnten, elften Klasse. „Da habe ich alles rausgelassen.“ Sie schwänzt die Schule, gammelt rum, kifft, hört Rap. „Assimilation hin oder her – man wird trotzdem nicht besser akzeptiert“, ist ihre Erkenntnis.

Nach dem Abi kehrt sie dem badischen Ort endlich den Rücken zu und geht nach Frankfurt am Main, weil das laut Google-Suche die Stadt in Deutschland ist, die den größten Ausländeranteil hat. „Frankfurt war eine Offenbarung. Auf einmal sahen Leute aus wie ich.“

Mental Health im Rap

Sie nerdet sich immer mehr in Rap ein und wird während sie noch Studentin in Leipzig ist Chefredakteurin beim splash! Mag, einem Hip-Hop-Online-Magazin. Ihr Motto lautet „Stay soft“. Ihre Mission: Rap wieder weich machen. Sie schafft es, in den Interviews mit Künstler:innen auch über unbequeme, politische oder intime Themen zu sprechen.

Dass sie mit Rapper:innen so gut über Mental Health und Depression sprechen kann, liegt mit daran, dass sie selbst betroffen ist – und das schon seit ihrer Jugend. Auch wenn es ihr damals noch nicht klar war.

„Ich war schwer depressiv als Jugendliche und bin immer noch betroffen von der Krankenheit. Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich eine Diagnose hatte. Damals dachte ich, ich hätte kein Recht darauf. Ich wollte mein Leid nicht als Depressionen benennen.“

Podcast „Danke, gut.“

Heute will sie auch mit ihrer eigenen Geschichte für mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit Depression sorgen. Das macht sie unter anderem mit ihrem Podcast „Danke, gut.“, wo sie mit Menschen über „Pop und Psyche“ spricht.

Eine Strategie, die für sie funktioniert, ist das Besinnen auf das Erfüllen von Grundbedürfnissen wie Essen, Trinken, Schlafen, Spaß haben. Erst wenn das gegeben ist, habe man auch die Kraft, sich mit seiner Psyche zu beschäftigen.

Weitere Themen: Sprachen-Wirrwarr, SIMS-Grundbedürfnisse, K*****en-Imposter-Syndrom und warum sie eine Abneigung gegen Wintersport hat.

Halbe Katoffl abonnieren auf:

Apple Podcasts & Spotify

Halbe Katoffl ist ein kostenloses Angebot. Wenn ihr mich per Dauerauftrag, Überweisung oder Paypal finanziell unterstützen wollt, könnt ihr das hier machen – oder: direkt eine Spenden-Mitgliedschaft auf Steady abschließen (Klick auf den Button). Vielen Dank!

Steady-Button