Artikel verfasst von Frank Joung

Julia Elena Meyer-Christian hat honduranisch-deutsche Wurzeln. Bei Halbe Katoffl spricht sie über ihren Struggle mit beiden Kulturen, was sie geerdet hat und wie sich ihre drei Muttersprachen auf ihre Persönlichkeit auswirken.

Von dem mittelamerikanischen Land Honduras haben die wenigsten ein klares Bild vor Augen, auch nicht, wie die Menschen dort typischerweise aussehen. Wenn Julia sagt, dass sie einen honduranischen Hintergrund habe, glauben ihr das viele nicht. „Viele denken, ich sei thailändisch“, sagt sie und lacht.

„Es ist wie eine Risenumarmung“

Julias (deutscher) Vater war Ende der 1960er Jahre Holzkaufmann. Er lernte Julias Mutter in Honduras kennen und fragte sie, ob sie mit ihm nach Deutschland ziehen würde. Sie sagte ja – und landete im norddeutschen Winter: ein Kulturschock. Dazu kam, dass die deutsche Familie zunächst nicht „amused“ war über die ausländische Freundin und zukünftige Ehefrau. „Es war eine krasse Umstellung für meine Mutter. Ich denke nicht, dass sie wusste, worauf sie sich da eingelassen hat.“

Julia wächst mit zwei jüngeren Brüdern in Hamburg auf. Mit ihrer Mutter spricht sie spanisch, mit ihrem Vater deutsch. Die Familie lebt auch eine Zeitlang in Honduras und in den USA, weshalb Julia auch Englisch als eine ihrer drei Muttersprachen betrachtet.

„Wir sind jedes Jahr nach Honduras geflogen. Ich wollte dort leben. Die Freundlichkeit der Leute – das ist wie eine Riesenumarmung.“

Julia identifiziert sich stark mit der lateinamerikanischen Seite: das Essen, das Tanzen, die Leichtigkeit in den Gesprächen. Das alles fehlt ihr, wenn sie im unterkühlten Hamburg ist.

„Ich hab ganz lange mit der deutschen Seite gestrugglet. Ich fand das alles ultrascheiße, spießig und furchtbar. Ich habe nur die negativen Dinge gesehen und die wahrscheinlich unbewusst gesucht, um das innerlich zu bestätigen.“

Honduras oder Deutschland?

Dazu kommen unangenehme Situationen, die ihr in Deutschland passieren: Als Kind sei sie schon aufgefallen. Sie erinnert sich an Spielen mit den Jungs – „wo ich immer die Indianerin spielen musste, die früh stirbt.“ Oder an eine Situation mit einer älteren Nachbarin, die sie als „Ausländerbrut“ beschimpft.

Auf der anderen Seite merkt sie bei längeren Aufenthalten in Honduras auch, dass die Nähe zur Familie auch was Einengendes hat und das Land in Sachen Geschlechtergleichheit noch hinterherhinkt. Die Einschränkungen als Frau nerven sie. „Da habe ich auch gemerkt, dass ich ein europäisches Mindset habe.“

Individuelle Freiheit, Struktur und Sicherheit auf der einen Seite, Lebensfreude, familiäre Wärme und Spontaneität auf der anderen. Für Julia ist es lange schwer, beide Welten miteinander zu vereinen.

„Man sucht das Andocken und passt doch nirgendwo richtig rein. Das fand ich unglaublich anstrengend.“

Sie kommt an den Punkt, wo sie sich nirgendwo richtig zugehörig fühlt. „Ich habe mich nirgendwo mehr richtig wohl gefühlt. Ich habe immer was (aus dem anderen Land) vermisst, wenn ich in dem einem Land war.“

„Meine Tochter hat mich geerdet“

Erst mit der Geburt ihrer Tochter ändert sich dieses Gefühl. „Meine Tochter hat mich geerdet. Da bin ich nicht mehr um mich selbst gekreist. Das hat mich mit vielen Dingen in Deutschland versöhnt.“

Und obwohl die mittlerweile 17-jährige Tochter nur einmal in frühen Jahren in Honduras war und das zweisprachige Aufziehen nur bedingt geklappt hat, scheint sie einen Zugang zum Latino-Dasein gefunden zu haben, findet Julia: „Sie will jetzt auch wieder mehr Spanisch lernen und hat auf ihrer Schule eine coole Truppe Mädels gefunden, die so sind wie sie.“

Wie drei Julias

Wer sie selbst ist, musste Julia auch erstmal zusammenpuzzlen. Ihr sei aufgefallen, dass sie immer ein bisschen anders klingt, wenn sie die verschiedenen Sprachen spricht. „Es ist so, als wären da drei Julias.“

Selbstberuflich macht sich die Vielschichtigkeit bemerkbar: Sie ist Yogalehrerin, Studiosängerin – und -sprecherin, arbeitet für ein Plattenlabel und singt Mantras. „Ich könnte nicht nur eine Sache machen.“

Weitere Themen: DNA-Test, NYC-Besuch vor Corona und die Frage: Wie laut spricht man in den unterschiedlichen Kulturen?

Instagram: @julia_elena_mantras

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