Mit vier Jahren begann Jasmin Blümel-Hillebrand mit dem Ringen. Der Sport hat die Deutsche mit brasilianischen Wurzeln durch eine schwierige, von Rassismus geprägte Zeit getragen. „Die Ringerhalle war der wunderbarste Zufluchtsort der Welt“, sagt sie.
Werdau ist ein kleiner Ort bei Zwickau mit rund 20.000 Einwohnern. Hier ist Jasmin aufgewachsen. An ihre sächsische Heimatgegend hat sie allerdings keine guten Erinnerungen.
„Ich bin da zwar geboren und habe mein Leben da gelebt, aber im Herzen bin ich nicht die kleine Jasmin aus Zwickau. Das hat mir zu viel Schmerzen gebracht.“
Dass Jasmin zum Ringsport gekommen ist, verdankt sie ihrem Stiefvater. Ihr leiblicher Vater, ein Brasilianer mit kamerunischen Wurzeln, hat in ihrem Leben nie eine bedeutende Rolle gespielt. Er hat die Familie früh verlassen. Es war der neue Mann ihrer Mutter, der Jasmins Ringtalent im zarten Alter von vier Jahren erkannte und förderte.
Eine gute Kämpferin – auf der Matte
Und wie das mit dem Sport so ist: Wenn sich zu der spielerischen Neugier der Erfolg gesellt, wird schnell Leidenschaft daraus. Jasmin ist eine gute Kämpferin – allerdings erst nur auf der Ringmatte. Außerhalb der Halle lässt sie die ständigen diskriminierenden Anfeindungen und Hänseleien meist tatenlos über sich ergehen. „Meine Eltern sagten mir immer: Du bist klug genug. Du kannst dich mit Worten wehren.“
Die Leute beschimpfen sie mit dem N-Wort, vergleichen sie mit Affen, Kakerlaken und fordern sie unzählige Male auf, dorthin zurückzugehen, wo sie hergekommen sei. „Da habe ich immer geschrien: Ich bin von hier! Wo soll ich denn hin?“
Der Abend, der alles veränderte
Dann kam der Abend, der alles veränderte – und sie bis heute begleitet.
„Es gab ein Schlüsselerlebnis. Ich wurde während eines Stadtfestes von Neonazis fast verbrannt. Ich hatte nur Glück, dass das Feuerzeug nicht anging.“
Jemand kippte ihr eine Flüssigkeit in den Nacken – Benzin. Jasmin erinnert sich noch an den Schrei einer älteren Dame, die ihr zur Hilfe kommen wollte: „Mädel, die wollen dich anzünden!“
Jasmin rennt ins Krankenhaus, zur Polizei – niemand glaubt ihr. „So was gibt es hier nicht“, sagt man ihr. „Rassismus? Nein! Nicht bei uns.“ Alle Anzeigen gegen die Täter werden eingestellt.
„Auch wenn ich verziehen habe. Ich habe immer noch diese Trigger in mir. Immer wenn Menschen behaupten, es gebe in diesem Land keinen strukturellen Rassismus, dann ist das eine Lüge. Ich habe niemals einem Menschen etwas abzusprechen, was er auf diese Weise so hautnah erlebt hat.“
„Danach habe ich alle umgehauen“
Das Ringen hat ihr bei all den Widrigkeiten geholfen, immer wieder die Balance zu finden. Hier hat sie Selbstbewusstsein getankt. Nach dem traumatischen Vorfall beginnt Jasmin, sich körperlich zu wehren. „Ich hatte keine Lust mehr, eloquent zu sein. Ich habe alle umgehauen. Danach hatte ich keine Angst mehr, weil ich dachte: Schlimmer kann es nicht kommen.“ Die Sporthalle ist ihr Zufluchtsort. „Hier konnte ich frei sein und mich fallen lassen.“
„Das Ringen hat mich zu einem besseren Menschen gemacht. Es hat mich gelehrt zu verzeihen, wegzustecken und wieder aufzustehen. Ich hatte oft das Gefühl, innerlich gebrochen zu sein. Dann kam ich zum Ringen und ich fühlte mich wieder größer und stärker.“
Erst als junge Erwachsene in Berlin fühlt sie, dass es auch noch eine andere Welt gibt. Sie merkt: „Ich bin in Ordnung, so wie ich bin.“
Weitere Themen: Von Mode-Tanzshows zur Miss Zwickau, Auszeichnung als „Beste Kämpferin“, prägende Klassenfahrt nach Berlin, POC in der Bäckerei und brasilianische Freundesfamilie.
Die Serie „Halbe Katoffl Sport“ ist entstanden in Kooperation mit „Integration durch Sport“, das dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert. Das Bundesprogramm wird vom Bundesinnenministerium und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert.
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Kommentare von Frank Joung