Artikel verfasst von Frank Joung

Hamze Bytyçi ist im Kosovo geboren. Der 36-jährige kam Ende der Achtziger nach Deutschland. Warum er lange Zeit Schwierigkeiten hatte, sich als Rom zu „outen“, weswegen er andere gerne verwirrt, und wie ihm das Theater bei der Identitätsfindung half, berichtet er Frank in dieser Episode von Halbe Katoffl.

„Sag nicht, dass du Roma bist“

Sin­ti und Roma genießen keinen guten Ruf. Die beiden Bevölkerungsgruppen werden fast immer in einem Atemzug genannt, obwohl ihre jeweilige Geschichte und Ausgangslage zum Teil sehr verschieden ist. Sin­ti:z­ze haben sich vorwiegend in West- und Mitteleuropa angesiedelt, während Rom:nja zumeist in ost- und südosteuropäischen Ländern leben.

Hamze Bytyçi ist Roma. Bis er das für sich akzeptiert hat und es auch anderen gegenüber frei aussprechen konnte, verging aber einige Zeit. Kein Wunder, wenn selbst die Eltern ihre Herkunft tabuisieren.

„Mein Vater hat immer gesagt: Sag alles – aber nicht, dass du Roma bist.“

„Bettelnde Menschen & die Unsichtbaren“

Hamze wurde früh vermittelt, dass die Roma am unteren Ende der Hierarchie der Kulturen stünden.

„Es war klar: Wenn man sagt, dass man Roma ist, dann wird es nicht einfach sein. Die offensichtliche, sichtbare Armut, international, wird mit uns identifiziert: mit den bettelnden Menschen. Es gibt mehr als das – aber das ist unsichtbar.“

So beginnt Hamze schon früh damit, sich als Kosovare, Jugoslawe oder Albaner auszugeben – je nach Situation und Lust und Laune.

Hamze wächst im kosovarischen Prizren auf, wo er auch geboren ist. Das Familienleben wird ganz entscheidend von seiner Oma geprägt. Besonders, als sie ihren Sohn, Hamzes Vater, plus Ehefrau aus dem gemeinsamen Haus schmeißt, übernimmt sie das Zepter bei der Erziehung. Grund für die räumliche Trennung sind finanzielle Differenzen. Hamzes Großmutter führt ein rigides Regiment über die Kinder: streng, aber liebevoll.

„Alles, was mit Roma-Identität zu tun hat, haben wir von meiner Oma.“

Nach 16 Stationen endlich ein Zuhause

Als Hamzes Mutter im September 1989 dem Vater mit den beiden Söhnen nach Westeuropa folgt, bleibt die Oma im Kosovo. Hamzes Ankunft nach der langen Zug- und Autoanreise in Deutschland ist denkwürdig: Nach der langen Reise übergibt er sich im Auto eines Bekannten. „Mein Vater hat mir eine Kopfnuss verpasst, und meine Mutter war alles andere als erfreut“, berichtet Hamze.

Die Flüchtlingsunterkunft, in der die Familie zunächst unterkommt, ist eng, voll und ohne jegliche Privatsphäre. Die folgenden Monate im neuen Land sind unstet. Die Bytyçis ziehen von Ort zu Ort. Erst nach 16 Stationen landen sie irgendwann in Freiburg, wo sie endlich ein Zuhause finden.

Zum ersten Mal Rom:nja-Positivbeispiele

Seine Schulzeit hat Hamze als positiv in Erinnerung. Fragen nach seiner Herkunft beantwortet er kreativ. Die Menschen können ihn meist nicht einer Nation oder einem Kulturkreis zuordnen. Hamze mag es, zu verwirren oder sich etwas auszudenken.

Eine Lehrerin erkennt sein schauspielerisches Talent – oder seinen Hang zu ADHS, wie Hamze sagt –, und schickt ihn zum Theaterspielen. Beim Besuch eines Rom:nja-Stücks sieht er zum ersten Mal Positivbeispiele aus seiner Bevölkerungsgruppe – im Scheinwerferlicht, auf der Bühne.

„Als wir das Stück gesehen habe, konnte ich mich zum ersten Mal mit etwas identifizieren. Dass Menschen mit meinem Hintergrund das machen, was ich gut finde, hat mich ziemlich überzeugt. Schauspiel hat extrem dazu beigetragen, dass ich die Selbstbezeichnung Rom angenommen habe.“

Heute ist Hamze professioneller Schauspieler und Aktivist. Zusammen mit seiner damaligen Partnerin hat er den Verein RomaTrial gegründet, der „die komplexen Problematiken des Antiziganismus (die Stigmatisierung, Diskriminierung und Verfolgung von Menschen als ‚Z*****er‘) auf Bühne, Bildschirm und in den Äther bringen will – vor allem aber in die Köpfe der Gesellschaft“.

Es geht darum, die „Unsichtbaren“ sichtbar zu machen – und zwar in anderen, nicht stereotypen Rollen. Für ein anderes, positives Selbst- und Fremdbild der Roma setzen sich Hamze und sein Verein ein.

 

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