Artikel verfasst von Frank Joung

Ariana Baborie hat afghanisch-deutsche Wurzeln und Großeltern, die im ehemaligen Jugoslawien geboren sind. Mit Frank spricht die Moderatorin und Podcasterin („Herrengedeck“) über fehlende Puzzleteile in ihrer Identität, Beileids-Posts auf Instagram und Osama bin Laden als Patenonkel.

Als Arianas Großeltern väterlicherseits ihre Heimat Afghanistan gen Deutschland verlassen, tun sie das in dem Glauben, in drei Jahren zurückkehren zu können. Ihr Großvater arbeitet im Auswärtigen Amt in Bonn als Botschaftssekretär. Doch die politische Situation in Afghanistan wird zu heikel. Arianas Großeltern bleiben notgedrungen in Deutschland.

„Irgendwann wurde klar, dass meine Familie nicht zurück kann. Für meine Oma war das ganz schwer. Sie hat viel geweint: um ihr Land, ihre Heimat, ihr Haus.“

Im Puzzle fehlen zwei Teile

Ihre Familie ist sehr westlich geprägt. Ihre Großmutter hat noch ein offeneres Afghanistan erlebt. Sie habe als junge Frau keine Burka tragen oder sich verschleiern müssen, erzählt Ariana. „Sie hat gesagt: Weißt du, wie schön ich war? Das mussten die Leute sehen.“

Ariana wächst in einem multikulturellen Umfeld in Berlin auf. Für sie ist es normal, dass Mitschüler verschiedene kulturelle Wurzeln haben. Die Eltern ihrer Mutter sind im ehemaligen Jugoslawien, dem heutigen Kroatien, geboren. Zuhause spricht sie deutsch und Farsi. Die Mahlzeiten mit afghanischen Speisen haben eine große Bedeutung: „Da wurde viel mit Essen gearbeitet.“

So viel sie auch von afghanischen Sitten und Traditionen mitbekommt, eines fehlt ihr bis heute: Sie kann das Land nicht besuchen – es ist zu gefährlich. Das meiste, was sie von Afghanistan kennt, stammt aus Erzählungen. Ihr fehle der persönliche Bezug und der eigene Eindruck.

„Noch nicht in dem Land gewesen zu sein und nichts darüber zu wissen, ist komisch für mich, weil es ja ein Teil von mir ist. Es ist wie bei einem Puzzle. Da fehlt jetzt nicht die Hälfte, aber zwei Teile sind nicht da. Das macht mich manchmal ein bisschen traurig. Du hast das Gefühl, du weißt alles darüber, nur du hast es selber noch nicht gesehen. Deswegen ist es wenig greifbar für mich.“

Kein Gefühl von Ausgrenzung

Auf der anderen Seite sei sie glücklich darüber, dass sie gefühlt nur die schönen Dinge von der afghanischen Seite mitbekommen habe: Hochzeiten, Familienfeste – und Reisgerichte mit Kufta, Joghurt und Minze.

Traumatische Erfahrungen durch Diskriminierung oder Alltagsrassismus habe sie nicht direkt erlebt. Auf dumme Anspielungen oder nervige Fragen reagiert sie häufig mit Humor.

„Ich bin da schmerzbefreit. Dieses Gefühl von Ausgrenzung kommt bei mir gar nicht auf.“

Das könnte auch daran liegen, dass die meisten sie herkunftsmäßig nicht einordnen können. „Ich fühle mich manchmal wie ein Chamäleon. Wenn ich in anderen Ländern bin, kann ich immer behaupten, dass ich dort herkomme.“

„Keine Berührungsängste mehr“

Das alte „Wo kommst du eigentlich her“-Dialogspielchen muss Ariana trotzdem hin und wieder durchstehen – was sie gerne zum Anlass nimmt, sich einen Spaß daraus zu machen und die Fragenden zappeln zu lassen. „Ich amüsiere mich insgeheim zu sehen, wie der andere leidet.“

Insgesamt sieht sie aber eine positive Entwicklung.

„Ich glaube, dass wir in einer viel offeneren Gesellschaft leben, in einer viel größeren Multi-Kulti-Gesellschaft, als man so meint, wenn man die Nachrichten sieht. Die Reaktionen auf meine Herkunft sind heute ganz anders als zu meiner Teenie-Zeit. Früher konnten die meisten nichts damit anfangen und haben oft rumgedruckst. Mittlerweile finden das viele super interessant. Die Leute haben heute keine Berührungsängste mehr.“

Manchmal holen sie die heutigen Geschehnisse in Afghanistan ein. Ausgerechnet auf dem Feel-Good-Kanal Instagram sieht sie gelegentlich schwarz-weiße Posts von ihrem Großcousin, dem ein großer Fernsehsender in Afghanistan gehört: Beileidsbekundungen über Menschen, die bei Anschlägen ums Leben gekommen sind. Oft junge Journalisten. „Ich fühle mich da immer, als würde mir jemand plötzlich mit einem ganz schweren Gegenstand richtig ins Gesicht hauen.“

Afghanistan ist bunt

Ariana kann sich trotz der schönen Erzählungen ihrer Familie nicht ganz von dem in den Medien vorherrschenden Bild von Afghanistan lösen: dass es ein von Krieg und Terror zerrüttetes Land ist.

„Wir hatten ein riesiges Plakat zu Hause mit bunten Blumenwiesen, ganz grün. Mir war lange nicht klar, dass das Afghanistan ist. Da habe ich erst gemerkt, dass ich mir das Land grau und braun vorstelle, bestehend aus Straßen, Steinen, Staub und Bomben – das ist mein Bild.

Die ganz tollen Farben, die es da zu sehen gibt, die Kleider, die Farbenvielfalt – das würde ich gerne mal erleben. Das ist der einzige Punkt, der mir in meiner Zweier-Identität so ein bisschen fehlt.“

Ariana auf Instagram: @ariana_baborie

Podcast Herrengedeck: https://herrengedeck.podigee.io/

 

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