Artikel verfasst von Frank Joung

Moderator, Tänzer, Rapper, Schauspieler, Produzent – Tyron Ricketts hat die deutsche Kulturlandschaft in vielfältiger Weise bereichert. Bei Halbe Katoffl spricht der 49-Jährige über sein Aufwachsen in Österreich und Aachen, was ein Fax von MTV auslöste und warum er energetisch mehr in Afrika spürte als in Jamaika, dem Heimatland seines Vaters.

Tyron wird am 29. Juni 1973 in Weiz, Österreich geboren. Es ist ein kleiner Ort. „Ich war das erste Schwarze Kind, das da jemals zur Welt kam“, sagt Tyron. Sein jamaikanischer Vater und er haben Exotenstatus. „Du konntest nie irgendwo untertauchen.“ Dennoch habe er positive Erinnerungen an seine Kindheit in der Steiermark, wo er die ersten sechs Jahre seines Lebens verbringt.

Erste Rolle als „Hofm*hr“

Dann zieht er mit seiner deutschen Mutter nach Aachen. Auch da kommt er gut zurecht. Klein, flink, frech – so beschreibt sich Tyron selbst. „Es war (für andere) komisch: Da ist da dieser Schwarze Junge mit österreichischem Akzent.“ Einmal zur frühen Grundschulzeit überreicht ihm eine Mutter eines Mitschülers einen Zeitungsausschnitt. Tyron liest die Überschrift, in der es um irgendeinen „M*hr“ geht, der seine Schuldigkeit noch nicht getan hätte, weil er noch nicht gefunden worden sei. Tyron bricht in Tränen aus, bis er realisiert, dass das lokale Theater einen Jungen sucht, der den „Hofm*hr“ spielt. Tyron bewirbt sich – und bekommt die Rolle. Aus heutiger Sicht problematisch, aber es markiert quasi den Anfang seines kulturellen Schaffens.

In der Pubertät entdeckt er Hip Hop. Mittlerweile nehmen die rassistische Anfeindungen zu, jetzt, wo er nicht mehr der „kleine, niedliche Junge“ ist. Durch seine Tanzgruppe mit Daniel Aminati, seiner Rapgruppe, die erst Blackstreet Bataillon, dann K-Funk heißt, macht er die ersten Schritte im Musikbusiness. Der erste Plattenvertrag lässt nicht lange auf sich warten. Als er dann nach einem Casting bei MTV in London die Aussicht auf einen potenziellen Moderatorjob hat, wartet er wie auf heißen Kohlen auf seinen Karrieresprung. Doch trotz Fax von MTV und zahlreichen telefonischen Nachfragen meldet sich der Musiksender nicht.

Höhenflug mit „Wordcup“

Also nimmt Tyron sein Karriere selbst in die Hand. Er ruft beim in Köln ansässigen Konkurrenten Viva an und bietet sich als Moderator an. Er bekommt den Job und moderiert die Rapsendung „Wordcup“, die er sogar selbst produziert. „Das war der Grundstein von Panthertainment“, der Produktionsfirma, die auch heute noch existiert. Tyron moderiert und trifft die Größen des US-amerikanischen Hip Hop und ist beim Aufstieg des deutschen Rap dabei. Doch als Viva an die Börse geht und alle Shows selber produzieren will, kündigt man ihm. Nach dem Höhenflug folgt der Realitycheck. „Das war eine harte Zeit“, sagt Tyron.

Energetische Verbindung in Ghana

Mit Anfang 20 reist er nach Jamaica, um seinen Vater zum ersten Mal nach langer Zeit wiederzutreffen. Herausfordernd sei das gewesen, sagt er heute rückblickend. Tyron hatte gehofft, dass es die „Homecoming Experience“ werden würde. Doch es sei dann komplizierter gewesen, als er gedacht habe.

„Aus Jamaica kommen zwar meine unmittelbaren Vorfahren, aber es ist ja eine Sklaveninsel gewesen. Was die energetische Verbindung angeht, war das viel stärker, als ich zum ersten Mal in Ghana gewesen bin. Als ich da zum ersten Mal meinen Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt habe, habe ich gemerkt – also mein Körper auch und mein Energiesystem, dass ich da eine viele stärkere Verbindung hatte als auf Jamaica.“

Nachdem er mehrere Jahre für SOKO Leipzig vor der Kamera stand, geht er für fünf Jahre in Los Angeles und New York, wo er für Harry Belafontes Stiftung SANKOFA arbeitet. Als er dann nach Berlin zurückkehrt, macht er Panthertainment wieder auf. Er spürt, dass er zum einen die Geschichten Schwarzer Menschen in Deutschland erzählen möchte und zum anderen, dass es da durch die Streamingdienste und den immer stärker global ausgerichteten Markt mehr Chancen gibt, diese auch zu erzählen.

Miniserie „SAM – EIN SACHSE“

Im April 2023 erscheint die erste deutsche Original-Serie von DisneyPlus: „SAM – EIN SACHSE“ handelt von dem ersten Schwarzen Polizisten in Ostdeutschland. Den hatte Tyron im Zuge der „Brother Keepers“-Tour kennengelernt. Rund 20 Jahre hat es gebraucht, von der Idee bis zur Umsetzung.

„Ich fand schon immer wichtig, ein Gegengewicht zu einer eurozentrischen und rassistischen Sichtweise nach draußen zu tragen – und da ist mir eigentlich jedes (künstlerisch-aktivistisches) Mittel recht.“