Artikel verfasst von Frank Joung

2010 gründete Stefanie Kim ihre eigene Agentur KIMKOM. Davor war sie lange in der Musikbranche tätig. Warum die Deutsche mit koreanischen Wurzeln lange ein Kim-Chi-Trauma hatte, was sie Lenny Kravitz riet – und warum sie sich zu mehr Sichtbarkeit zwingen musste, erzählt sie bei Halbe Katoffl.

Beckum ist eine Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen. „Es liegt in der goldenen Mitte zwischen Dortmund und Bielefeld, eine Ausfahrt an der A2“, berichtet Steffi. Dort ist sie geboren, als erstes Kind koreanischer Einwanderer. Ihre Mutter arbeitet als Krankenschwester im örtlichen Krankenhaus, ihr Vater ist Monteur. Steffi ist oft allein auf sich gestellt, sie kümmert sich viel um ihren jüngeren Bruder. Ihr Verhältnis zu den Eltern ist schwierig.

„Ich war das erste Kind meiner Mutter und ich war ja ein Mädchen, dadurch hat meine Mutter ‚versagt‘, und ich war der Grund für ihre Versagen, weil ich kein Sohn war. Das hat man mir jeden Tag gesagt.“

Sie beschreibt ihr Zuhause als unfrei, ihre Mutter nennt sie „Kartoffelmädchen“, ihr Vater sagt „곰“ (Gom) zu ihr: Bär. Was laut Steffi aber nicht nett gemeint war. „Das hieß, dass ich dumm bin.“ Ihr jüngerer Bruder hingegen wächst ganz anders auf. „Als koreanischer Junge bist du der Prinz!“

„Hip Hop hat mich gerettet“

Sie lehnt ihre koreanische Seite immer mehr ab. Die Küche findet sie doof, das Koreanische ist generell peinlich, die Sprache zu sprechen ist bis heute mit Schmerz verbunden. In der Schule findet sie wenig Gleichgesinnte und auch in ihrem Umfeld fühlt sie sich sehr allein als einziges asiatisch gelesenes Mädchen. „Ich habe meine Existenz oft infrage gestellt.“

Erst als die Eltern sich trennen, kann Steffi sich aus den Zwängen des strengen Elternhauses befreien. Sie entdeckt erst den US-amerikanischen Hip Hop, dann deutschen Rap, der Anfang/ Mitte der 90er hierzulande an Popularität gewinnt. Mit selbst verdientem Geld aus diversen Nebenjobs finanziert sie sich Zugreisen zu Konzerten und Jams.

„Ich war immer alleine unterwegs. Das war auch der Grund, warum die Crews auf mich aufgepasst haben. Das war das erste Mal, dass ich gedacht habe: Ah so fühlt sich Familie an. Ohne Hip Hop hätte ich niemals die Erfahrung gemacht, dass man als Person, so wie man ist, akzeptiert wird.“

Sie taucht tief in die Szene ein und fängt auch später beruflich in der Musikbranche an. „Musik war mein Zuhause, sie hat immer eine große Rolle gespielt. Das war mein Raum, den mir keiner nehmen konnte.“

„Du wohnst in den tollsten Hotels – aber bekommst keinen Schlaf“

Sie arbeitet für NBC Giga, einem innovativem Fernsehformat, dann lange für das Major Label EMI, wo sie die glitzernde Pop- und Promiwelt in all ihre Facetten kennenlernt. Sie hat mit Stars wie Depeche Mode, Robbie Williams, Beastie Boys, Kylie Minogue oder Lenny Kravitz zu tun, kümmert sich um Promo, Fernsehauftritte und Interviewanfragen u.v.m.

Sie mag den Adrenalinkick, den Druck und eignet sich einen 360-Grad-Blick an, sagt aber auch: „Du wohnst in den tollsten Hotels, aber du bekommst kein Schlaf. Du funktionierst wie ein Roboter.“ Irgendwann muss auch sie erkennen, dass es zu viel wurde. „Ich hatte ein Burnout, wo ich zwei Monate gebraucht habe, mich davon zu erholen.“

Auch beruflich wird sie als asiatisch gelesene Frau unterschätzt und zum Teil respektlos behandelt. Etwa dann, wenn andere instinktiv von ihr erwarten, Protokoll zu schreiben. „Da sage ich dann: Ich bin ‚Head of‘. Das kann schön der Praktikant machen.“

International, so sagt sie, sei sie meist sofort respektiert worden. Egal ob sie im Hoodie oder in Seidenbluse gearbeitet hat. „Aber auf deutscher Ebene? – vergiss es! So viele Egos!“

Sichtbarer werden

2010 verabschiedet sie sich vom Angestelltendasein und gründet ihre eigene Agentur: KIMKOM, die bis heute gut läuft. Sie arbeitet daran, sich auch stärker in die Öffentlichkeit zu begeben und sichtbarer zu werden – auch wenn ihr die Angst vor dem Scheitern bewusst ist.

„Ich bin überall fremd und dann fühlt man sich natürlich sehr wohl, wenn man unsichtbar ist.“

Aber sie findet, die Perspektive einer asiatisch gelesenen in Deutschland aufgewachsenen weiblichen Führungsperson – ihre Geschichte – sollte erzählt werden, damit es andere Frauen ermutigt und inspiriert.

„Irgendwann musste ich in den Spiegel schauen und meine eigene Medizin schlucken.“ Und als sie merkt, dass selbst gute Freunde nicht ihren Lebensweg kennen, gibt ihr das zu denken. „Da habe ich dann gedacht: Let’s tell the Story.“

Steffi auf Instagram: @mskimkom

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