Artikel verfasst von Frank Joung

Sero ist Halb-Tunesier, Halb-Deutscher, aber vor allem Berliner. Der 29-jährige Rapper spricht bei Halbe Katoffl über seine wilde Jugend, Existenzängste und den göttlichen Funken, den jede:r in sich trägt.

Eine Sache war für Sero immer klar: Berlin, das ist seine Stadt, Schöneberg seine Hood. Für Ur-Berliner ist es immer wichtig, auf den eigentlichen Heimat-Kiez hinzuweisen. Denn die Unterschiede zwischen den „Berlin-Inseln“, wie Sero sagt, sei groß.

Sero: Ich bin ein Hybrid

Bei allem anderen war Sero lange nicht sicher. Was oder wer er ist zum Beispiel. Im wahren Leben heißt der am 28. Januar 1992 geborene Rapper Stefan Hergli. Sein Vater ist Tunesier, seine Mutter Deutsche. „Ich bin ein Hybrid“, sagt Sero. Den Künstlernamen hat er sich selbst gegeben – schon bevor er Künstler war. Es war sein Tag, als er angefangen hat zu sprühen. Der Name kam ihm einfach so in den Sinn. „Sero!“ Keine Back-Story.

Als Kind, so erinnert er sich, gilt er nicht gerade als Mister Sunshine. In der zweiten Klasse wirft er einen Stuhl auf seine verhasste Lehrerin, die ihn gemobbt habe. Er fliegt von der Schule. Auf der nächsten Schule unterrichtet ihn eine Lehrerin, die ihm und seinem Kumpel Sätze zuschmeißt wie: „Ihr könnt nix dafür, eure Väter sind Araber, die haben heißes Blut.“ Für ihn sind das Sätze, die Erwachsene nicht zu Kindern sagen sollten, egal wie „schwierig“ sie zu sein scheinen.

„Was du Kindern sagst, ist wie ein Samen, der zu einer Pflanze wird. Die Gedanken, die du Kindern gibst, wachsen weiter.“

Keinen Platz in dieser Welt

Auch seine Jugend gestaltet sich schwierig. Er raucht mit 10, kifft mit 11, gerät in der Pubertät auf die schiefe Bahn. „Meine Freunde haben Drogen verkauft und das hat dann einen Rattenschwanz an Gewalt nach sich gezogen.“ Selbst seine Graffiti-Crew entwickelt sich eher zu einer Schlägertruppe.

„Wenn ich daran zurück denke, ist es wie aus einem anderen Leben“, sagt Sero. Die Suche nach seiner Identität habe dabei eine große Rolle gespielt. Der Frust darüber habe sich an verschiedenen Stellen entladen.

„Es war schwierig, meinen Platz in der Welt zu finden. Ich wollte für das gesehen werden, was ich gefühlt habe, was ich bin. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich so gesehen werde. Ich war traurig und verletzt darüber, dass ich scheinbar keinen Platz in dieser Welt habe.“

Seine Eltern versuchen ihm zu helfen, aber haben zum Teil viel mit sich selbst zu tun. „Sie waren sehr streng, aber haben mich nie aufgegeben.“ Aber auf der Suche nach seiner Identität, können sie ihm auch nur bedingt unterstützen.

„Ich war schwer einzuordnen“

Zwar kennt Sero auch seine tunesische Seite gut, da die Familie regelmäßig in den Sommerferien zu den tunesischen Verwandten gefahren ist. „Aber in Tunesien bin ich immer der Blonde.“ Auch wenn das eher liebevoll als abwertend gemeint sei. Es zeigt: Als „Araber“ wird er fast nie gelesen.

„Ich bin kein Stereotyp, visuell kein „halber Araber“. Ich glaube, ich war schwer einzuordnen, das hat es noch schwerer gemacht, in dieser Welt Fuß zu fassen.“

Nach Grenzerfahrungen mit Drogen und einer schweren Anzeige wegen Landfriedensbruch wird Sero klar: „Das bin ich nicht, das will ich nicht sein. Ich will kein gewalttätiger Mensch sein, ich will nicht stehlen, nicht lügen, ich will nicht ‚Straße‘ sein.“

Sein Abi schließt er als Jahrgangsbester ab: 1,0. Die Zukunft steht ihm offen, meint man. Doch er weiß zwar, was er nicht mehr sein will, aber nicht, was er werden möchte: Er studiert erst Psychologie, was er schnell beendet (zu trocken), fängt dann ein Regie-Studium an (wegen einer Frau) und landet schließlich bei Wirtschaftsingenieurwesen (hat eine Google-Suche ergeben). Auch dieses Studium bricht er ab – diesmal wegen eines besonderen Grundes.

Rap statt Wirtschaft

Sein Demotape landet über einen Bekannten beim Berliner Label „Four Music“. Schnell folgt ein Plattendeal. Jetzt endlich hat Sero seinen Beruf und seine Berufung gefunden: Rapper! Sein Vater ist zunächst absolut nicht amused – mittlerweile aber unterstützt er seinen Sohn.

„Meine Eltern hören alles, was ich mache. Ey, mein Vater hat sogar Plan von Deutschrap!“

Während seine erste Platte „One and only“ (2017) noch ein „Rap-Rap-Album“ ist, schlägt er bei seinem zweiten Album „Regen“, das im November 2020 rauskommt, leisere, persönlichere und musikalischere Töne an. „Es ist der Soundtrack meiner Seele.“ Kein klassisches Rap-Album, dafür nahbar, sensibel, melancholisch.

„Ich bin fühl mich wohl mit der Musik. Ich will ich selber sein – facettenreich. Authentizität is King. Mein Leben lang habe ich mich gefragt: Was bin ich denn nun? Bin ich Araber, bin ich Deutscher? Irgendwann habe ich verstanden: Ich bin ich.“

Sero: Untergehen

Sero auf Instagram: @sero__baby

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