Sara Grzybek hat Queermed Deutschland gegründet. Hier können queerfreundliche und sensibilisierte Ärzt*innen, Therapeut*innen & Praxen empfohlen werden. Wir sprechen über Saras folgenschweres Coming Out, warum Sara keine Pronomen für sich benutzt – und wobei intensives Gewichtheben und Krafttraining mit der Langhantel helfen. Über Komfortzonen und unangenehme Bühnenauftritte, High-Performen und Imposter-Syndrom, Drinnie-Tendenzen und Charaktereigenschaften, die man vielleicht nie hatte.
„Friedliche Zeit – außerhalb der Familie“
Sara wird im Mai 1992 in Breslau, Polen, geboren – wächst aber in Mainz auf. Die Familie lebt in einem damaligen „sozialen Brennpunkt“. In den Ferien fahren sie oft nach Polen. Sara ist schon damals – nach eigener Aussage – etwas „anders“ als die anderen. „Ich habe eher mit Jungs abgehangen und wir haben uns oft einfach … geprügelt.“ Die Eltern sind streng, der Vater kontrolliert das Geld, verbietet der Mutter das Arbeiten. Sara sieht viel fern.
„Ich habe die Schule absolut gehasst – aber außerhalb der Familie hatte ich eigentlich eine relativ friedliche Zeit.“
Auf dem Gymnasium ändert sich das Umfeld: weniger Diversität, mehr weiß gelesene und reiche Mitschüler*innen. Sara gehts nicht gut, ist oft müde, hat Stress in der Familie. Nachdem sich Sara der Mutter gegenüber als „homosexuell“ outet, wird es bedrohlich. „Da hat dann meine Mutter Sachen gesagt, die nicht so schön sind.“ Das ist untertrieben, von „Schande für die Familie“ ist die Rede, sogar Morddrohungen stehen im Raum. „Da gings mir richtig dreckig.“
„Ich füge mich nicht dem (binären) System“
Sara packt ihre Sachen und bricht nach und nach den Kontakt zur Familie ab. Zum Studium geht Sara nach Köln. In der Uni-Zeit rückt die Gender-Frage mehr in den Vordergrund: Sara fühlt sich nicht wie eine „Sie“, aber auch nicht wie ein „Er“. Daher verzichtet Sara auf Pronomen, fühlt sich als non-binär.
„Ich sehe mich immer noch als gleicher Mensch, nur dass ich mich dem System, in das ich reingesteckt werde, nicht füge und sage: Nö: Ich möchte nicht als Frau Soundso angesprochen werden.“
Gewichtheben und Krafttraining helfen Sara, eine bessere, gesündere Beziehung zum Körper herzustellen. „Ich habe jetzt viel mehr Respekt vor meinem Körper.“
„Ich war so gut wie nie bei Ärzt*innen“
Im Mai 2021 gründet Sara Quermeed Deutschland, eine Empfehlungs-Plattform für sensibilisierte und queerfreundliche Ärzt*innen, Therapeut*innen & Praxen. Denn viele queere und nicht-binäre Menschen haben Angst, in medizinischen Situationen nicht gesehen, schlecht behandelt und oder sogar diskriminiert zu werden. „Ich war so gut wie nie bei Ärzt*innen.“
Seitdem Launch der Seite hat sich Saras Leben stark verändert. Sara gewinnt Preise, bekommt viel Anerkennung und Lob – was Sara nicht immer leicht fällt. Denn mit wachsender Bekanntheit, steigen auch öffentliche, manchmal überwältigende Auftritte – wie etwas, wenn Sara einen Preis auf der Bühne entgegen nehmen muss. „Ich habe immer noch großes Imposter Syndrom und bin eigentlich ein Drinnie.“ Aber Sara tut es – für den Erfolg der Seite und damit auch für die, denen es hilft, eine Website zu haben, auf der man sieht, welche medizinischen Fachleute für das Thema sensibilisiert sind.
Kommentare von Frank Joung