Artikel verfasst von Frank Joung

Patrick Mushatsi-Karebas Eltern kommen aus Burundi und Italien. Bei Halbe Katoffl spricht der 46-jährige Musikmanager übers Aufwachsen in der Sozialbausiedlung, warum Vielfalt in der Musikbranche noch ausbaufähig ist – und wieso Frankfurt am Main – und nicht etwa Italien – sein Sehnsuchtsort ist.

Patrick wurde 1973 in Mainz geboren, ist aber in Frankfurt am Main aufgewachsen. In dem Bezirk Goldstein stehen zwei markante Hochhäuser – Patrick hat erst in dem einen, dann in dem anderen Haus gewohnt. Sein Vater kam aus Burundi, seine Mutter ist Italienerin, die Eltern trennten sich früh. 1987 verstarb der Vater, zu dem Patrick keine Beziehung hatte. „Ich habe praktisch keine Erinnerungen an ihn.“

„Ihr seid deutsch – mit eurer Geschichte“

Da die Mutter einen Italiener heiratete, ist Patrick in einer, wie er sagt, „sehr liebevollen italienischen Gastarbeiterfamilie“ groß geworden: viel Trubel, viel Essen. Sein (Halb-) Bruder aus zweiter Ehe der Mutter ist 14 Jahre jünger. Besonders zu seinem Großvater habe er bis zu seinem Tod 1999 ein enges Verhältnis gehabt. Er legte viel Wert auf Bildung und vermittelte ihm früh ein sehr progressives Bild des Deutscheins.

„Mein Großvater hat immer gesagt: Ihr seid deutsch. Er sagte nicht: Ihr seid deutsch im Sinne von ‚Assimiliert euch zu 100 Prozent und vergesst eure Wurzeln‘. Sondern er hat gesagt: Ihr seid deutsch mit der Geschichte, die ihr habt. Das hat mich sehr beeindruckt. Und später hat mich es mich noch mehr beeindruckt, weil ich verstanden habe: Der Mann war seiner Zeit voraus.“

Mit dem Schulwechsel in einen anderen Bezirk, wo viele Kinder aus sozial besser gestellten Familien wohnen, und auch mit Hobbys wie Tennis lernt Patrick schon früh eine andere Perspektive außerhalb der Sozialbausiedlung kennen. „Ich habe mich sehr wohl in beiden Welten gefühlt.“

Alternative Welten: Musik und Sport

Obwohl sein Wohnumfeld auch von Gewalt, Kriminalität und Armut beeinflusst ist, weiß er auch die kulturelle Vielfalt und die Freunschaften in der Sozialbausiedlung zu schätzen. „Das Gros der Leute hat ganz normale Berufe ergriffen, wie ich auch. Es gibt aber auch Menschen, die im Gefängnis sind oder gestorben sind, vielleicht in höherer Konzentration als in anderen Standteilen.“

Es sind vor allem Musik und Sport, die ihn als „alternative Welten“ davon abhalten, auf die schiefe Bahn zu geraten. Und er spürt eine Verantwortung seiner Mutter gegenüber:

„Ich bin ein relativ vorsichtiger Mensch. (…) Ich wollte es meiner Mutter nicht extra schwer machen. Es war mir ein Anliegen, zu einer Verbesserung der Situation beizutragen und nicht zu einer Verschlechterung.“

Ablehnung aus der eigenen Familie

Als Patrick 15 ist, zieht er mit seiner Familie nach Sizillien, zu den Verwandten des Stiefvaters – eine Erfahrung, die ihn sehr prägen sollte. „Es gab dort natürlich keinen schwarzen Jungen und schon gar keinen schwarzen Jungen mit einem weißen Bruder, der sehr helle Haut und rote Haare hat. Das war ein bisschen ein Overload für die meisten Leute, noch dazu aus Deutschland.“

Kritisch für ihn ist, dass die Ablehnung aus den eigenen Reihen kommt. Probleme hat er nun erstmals innerhalb der Familie: „Die Familie meines Stiefvaters hat mich gelinde gesagt nicht akzeptiert.“ Es habe zwei Alternativen gegeben: Seine Mutter hätte sich getrennt und wäre dann alleine mit zwei Kindern gewesen. Oder er geht zurück nach Deutschland.

Das tut Patrick nach eineinhalb Jahren Italien. Er geht zurück nach Frankfurt am Main und lebt dort bei der Schwester seiner Mutter. Diese Erfahrung hat Italien für ihn als Sehnsuchtsort lange verdorben, sagt er. Im Gegenzug ist Frankfurt am Main für ihn bis heute der Heimathafen schlechthin. „Ich werde nie vergessen, wie es sich angefühlt hat, als ich 1989 im September wieder zurückgekommen bin. Es ist ein schwieriges, kritisches Verhältnis, das ich zu Italien habe. Und ich habe ein schwieriges und kritisches Verhältnis zu Deutschland. Gleichzeitig ist mir Deutschland näher.“

In Burundi, dem Heimatland seines Vaters, war er bisher noch nicht. (Sein Versuch hinzureisen scheiterte an politischen Gründen und kritischen Bedingungen vor Ort.)

„Burundi ist nicht Teil des Zeitgeists. Ich habe mich immer dafür interessiert und versucht, mich da ein Stückweit zu bilden. Ich hatte aber eigentlich keine Projektionsfläche, was Burundi angeht. Es ist ein Land, von dem man relativ wenig hört und wenn, dann eher negative Sachen. Ich habe versucht, hinter diese sehr oberflächliche Sichtweise zu blicken. Ich war damals entschlossen, dorthin zu gehen. Diese Entschlossenheit hatte ich seitdem nicht mehr. Und ich lasse mir da die Zeit. Ich werde bestimmt irgendwann hingehen.“

„Musikbranche ist kein Hort der Diversität“

Auch im beruflichen Kontext sieht Patrick, der schon für Telekom, Musicload, Napster und Apple arbeitete und der derzeit CEO von Sony Music (Deutschland, Österreich, Schweiz) ist, die Vielfalt in seinem Feld nicht so positiv wie sie von außen scheint.

„Es ist eine Illusion, dass die Musikbranche der Hort der Diversität ist. Auf der Partner- und Kundenseite hat man die Diversität (…), aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Wir müssen daran arbeiten, dass man es auch auf der Labelseite hat.“

Weitere Themen: Weißes Privileg und Black Lives Matter, was man für den Erfolg in der Musikbranche mitbringen muss und welcher Künstler Patrick beeindruckt hat.

Patrick auf Instagram: @pmk069

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