Artikel verfasst von Frank Joung

Pause – das Wort kannte Mirrianne Mahn lange nur in der Theorie. Immer am Rennen, immer am Machen – bis es nicht mehr ging. Bei Halbe Katoffl spricht sie mit Frank über schlimme Schuljahre, frühe Schwangerschaft als Befreiung und warum sie nicht mehr leben wollte. Wieso ihr die Coronazeit gut getan hat, was westafrikanischer Glühwein ist und weshalb sie bei den Grünen ausstieg. Plus: Wie es war, ihr Debütroman „Issa“ zu schreiben und zu veröffentlichen.

Mirrianne wird am 8.Juni 1989 in Buea, Kamerun, geboren. Ihr Vater ist deutsch, ihre Mutter aus Kamerun. „meine Eltern sind krasse Hippies“, sagt sie. Als Mirrianne etwa sieben Jahre alt ist, zieht die Familie nach Deutschland: in den Hunsrück. „Mir war ständig kalt“, erinnert sie sich. Und sie lernt zwei neue neue kulturelle Konzepte kennen: lüften und spazieren gehen.

Mobbing und schwanger mit 16

In der Schule hat sie wenig Spaß. Sie versteht nichts und ist das einzige Schwarze Kinder auf einer Schule mit mehr als tausend Schüler*innen. Sie nimmt später zwar gerne an außerschulischen Aktivitäten wie „Jugend forscht“ teil, aber vor allem auch deshalb, weil sie dann dem Unterricht fernbleiben kann. Sie erfährt Mobbing und Rassismus. Einmal schneidet ein Lehrer ihr im Unterricht ihre Braids ab.

Als sie mit 16 Jahren schwanger wird, ist das für sie auch eine Art Befreiung. Sie muss nicht mehr zur Schule, macht das Fern-Abi. Gleichzeitig ist ein Leben mit Kind nicht unhektischer. Sie arbeitet hart, muss hustlen, lebt teilweise von Hartz IV. „Ich war immer zu spät, immer am Rennen.“ Irgendwann hat sie die Idee, einen Food Truck auf die Straße zu schicken. Daraus wird dann ein Cateringservice, der anfangs gut läuft. Sie hat große Auftraggeber – und viel Stress.

„Corona killed the Catering“

Im März 2020 wollte ich nicht mehr leben und habe versucht, mir das Leben zu nehmen.“

Als Mirrianne im Krankenhaus wieder aufwacht, steht die Welt still. Die Pandemie ist ausgebrochen. „Corona killed the Catering“, sagt sie heute. Nachdem ihre Verwirrung über die neue Realität gelegt ist, hat sie endlich die Ruhe, sich auszuruhen und Dinge aufzuarbeiten. „Ich hatte eine gute Zeit in der Klinik.“

Gleichzeitig wächst in ihr der Unmut über strukturellen Rassismus und sozialer Ungerechtigkeit und der Wunsch, aktiv zu werden. Der Mord an George Floyd, die Anschläge in Hanau und Halle setzen ihr stark zu. „Also bin ich in die (Kommunal-) Politik gegangen“, sagt sie lachend. „Ich hätte aber nie gedacht, dass ich gewählt werde.“ Seit 2021 ist sie Stadtverordnete in Frankfurt am Main – zunächst bei den Grünen. Da erfährt sie intern soviel (rassistische) Gegenwehr, dass sie 2024 aus- und bei der Partei Ökolinx-ELF einsteigt.

Das erste Buch – „Es war leicht!“

2024 erfüllt sie sich einen Kindheitswunsch. Sie veröffentlicht ihr erstes Buch – am 12. März – ihrem zweiten Geburtstag. „In ihrem Debütroman Issa verwebt Mirrianne Mahn kunstvoll die Schicksale von fünf Frauen miteinander, deren Leben mehr als ein Jahrhundert auseinanderliegen und doch über die Linien kolonialer Ausbeutung und Streben nach Selbstbestimmung verbunden sind“, schreibt ihr Verlag Rohwolt.

Mirrianne hatte schon früh Theatertexte geschrieben. Für sie ist das Buch „das Beste, Ganzheitlichste, was ich je in meinem Leben gemacht habe. Und: Es war leicht, es kam von alleine.“ Auch wenn es nicht komplett autobiografisch ist, für Mirrianne ist es eine Muss gewesen, diese Geschichten aufzuschreiben. Sie wollte sich damit eine Draufsicht auf ihr Leben erlauben.

“Wenn ich mich aktiv gegen Ungerechtigkeiten stelle, geht es mir immer sehr gut. Auch mein Mental Health. Und ich merke immer dieses Leisesein, Schlucken, Ignorieren, Turn the other cheek. Das sind die Sachen, die die Aggression nach innen lenken und das wird schwierig. Deshalb habe ich mich 2020 dafür entschieden, ab jetzt meine Aggressionen an die zu adressieren, die dafür verantwortlich sind. Und seitdem geht es mir sehr gut.” 

–> Buch + Lesungen: „ISSA“

Diese Folge ist Teil der „Work-Edition“ mit dem Schwerpunkt Arbeit. Sie wird unterstützt von LinkedIn.