Artikel verfasst von Frank Joung

Miriam Fisshaye hat in der Pandemiezeit ein afrodiasporagerechtes Reiseunternehmen gegründet. „Zewdi“ organisiert Black Joy Bike Parades, nachhaltige Reisen nach Ostafrika und Berliner Stadtführungen mit Schwarzer Geschichte. Bei Halbe Katoffl spricht die 29-Jährige mit Frank über ihr Aufwachsen in Eritrea und Frankfurt am Main, Rassismus beim Reisen – und warum Elefanten in Kenia schnelles Internet haben.

Miriam wird 1994 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba geboren. Ihre Eltern stammen aus Eritrea. Als sie fünf ist, zieht die Familie gezwungenermaßen nach Eritrea um. An Äthiopien habe sie kaum Erinnerungen, an Eritrea schon: Volle Straßen, „übertriebene Lautstärke“ in den öffentlichen Verkehrsmitteln – und ihre Großeltern, zu denen sie eine enge Beziehung hat. Besonders die Geschichten des Großvaters hätten sie geprägt, ihr Reiseunternehmen ist nach ihrer Oma „Zewdi“ benannt.

„War nicht leicht anzukommen“

Mit elf Jahren zieht die Familie nach Deutschland. „Der Abschied war einfacher, weil wir uns diesmal vorbereiten konnten, aber es war nicht einfach, anzukommen“, berichtet Miriam. Sie wird in eine „Integrationsklasse“ mit anderen ausländischen Kindern gesetzt. Deutschland, so lernt sie, weiß nicht viel über ihre Herkunft. „Die Kinder und Lehrer in ihrer Schule hatten viele Vorurteile gegenüber Afrika, das hat mich gewundert. Sie hatten keine Ahnung.“ Sie wundert sich auch darüber, dass die deutsche Schule leistungsmäßig hinterhinkt. „Das, was wir gelernt haben, hatte ich alles schon in Eritrea.“

Miriam ist eine stille und gute Schülerin. Und sie merkt schnell, dass sie sich vierfach anstrengen muss, um voranzukommen. Schon als Teenager sei sie schon immer zielstrebig gewesen, ihre Träume und Wünsche im Blick. Reisen, Geschichte, Geografie interessieren sie besonders. „Ich war schon immer eine alte Seele.“ Sie wächst in einem multikulturellen und multiethnischen Umfeld in Frankfurt am Main auf – was sie als wertvolle Erfahrung empfindet und was sie bis heute prägt. „Wenn man will, kann man überall lernen.“

Trotz Rassismus: „Ich verstecke mich nicht“

Miriam erlebt viel offenen Rassismus auf ihren Reisen. Sie wurde schon verfolgt, angespuckt oder verbal attackiert. Sie will sich das Reisen aber dadurch nicht selbst verbieten.

„Ich war nie der Mensch, der sich versteckt und sich seine Bubble baut. Ich weiß, was es für Konsequenzen haben kann, wenn ich alleine in Chemnitz oder Dresden bin, aber ich habe mich nie von dieser Angst beherrschen lassen.“

„Fühl dich wohl, nimm Raum ein“

Der Radar für eventuelle Gefahren ist natürlich trotzdem immer an. Ihre Reiseagentur richtet sich vor allem an BIPoC, die bei viele deutschen Unternehmen nicht mitgedacht werden. Dass Schwarze Menschen auch Geld haben und reisen, scheint bei vielen noch nicht angekommen zu sein. Und gleichzeitig will sie Schwarzen Menschen auch zeigen: „Fühl dich wohl, nimm Raum ein.“

Sie organisiert Stadtführungen und zeigt anhand von Geschichte, dass es schon Jahrtausende bzw. Jahrhunderte vorher Schwarze in Deutschland gegeben hat. Sie glaubt, dass diese geschichtlichen Zusammenhänge Schwarzen Menschen heute signalisieren können, dass man dazu gehört, dass man da sein darf. „Wenn man sich in den Straßen sieht, dann fühlt man sich automatisch wohler.“

Ziel: Inklusives Reisen

Bei den von ihr organisierten „Black Joy Bike Parade“ fahren Schwarze Menschen auf Fahrrädern durch Berlin. „Ich liebe es, Menschen glücklich zu sehen, und wollte ein Angebot schaffen, wo die Schwarze Community zusammenkommt, um gemeinsam Spaß zu haben. Sehr oft treffen wir uns zu ernsten Angelegenheiten wie Demonstrationen.“

Noch immer ist die Reisebranche sehr ausgrenzend – gegenüber BIPoC aber auch Menschen mit Behinderungen, die überhaupt nicht mitgedacht werden. Nachhaltiges, inklusives Reisen – das möchte Miriam mit Zewdi erreichen.