Artikel verfasst von Frank Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Work-Edition“

Fetsum Sebhat ist Sänger, Kulturaktivist und Kulturunternehmer. Der 48-Jährige spricht bei Halbe Katoffl über sein Aufwachsen im schwäbischen „Klein-Moskau“ und Bella Italia, warum Erzählungen in Eritrea zu Musicals werden und wie es ist ein riesiges Charity-Musikfestival auf die Beine zu stellen. Über Future Skills, Hip Hop als Therapie und Bildung als Währung.

Fetsum wird im November 1976 in Kairo geboren. Seine Eltern sind aus Eritrea. Mit anderthalb Jahren zieht die Familie weiter nach Rom. Wiederum zwei, drei Jahre später zieht Fetsum mit der Mutter nach Stuttgart.

„Meine Mutter ist aus dem Krieg gekommen, aus einem anderen Land, ohne Mann, ohne Geld, ohne Arbeit, ohne alles. Und ich klopfe auf meinen Holzkopf: Alles ist gut gegangen. Was nicht heißt, dass es nicht auch Spuren hinterlassen hat.“

Bildung ist Währung

Fetsum lebt mit der Mutter in ärmlichen Verhältnissen auf 39 Quadratmeter in einem Viertel, was „Klein Moskau“ genannt wird, hat aber das Privileg, häufig nach Italien in den Urlaub zu seiner italienischen Ziehfamilie fliegen zu dürfen. Er pendelt fast buchstäblich zwischen den Welten und Milieus. Schon als Kind spricht Fetsum mehrere Sprachen.

„Bei uns zu Hause war Bildung immer wichtig. Da wurde nie von Geld gesprochen, sondern hol dir die bestmögliche Ausbildung, die du haben kannst, weil: Wir wissen ja nicht, wo wir morgen sind. Die Währung ist Bildung. Ein Diplom in Deutschland ist eine Währung in der Diaspora gewesen. Das ist der Schlüssel weltweit.“

Fetsum ist ein lebhafter Jugendlicher: Klassensprecher aber auch Klassenclown, Fußballer – und er entdeckt die Musik, auch hier von diversen Einflüssen umgeben, von ägyptischen Balladen, italienischem Schlager, eritreischer Hausmusik oder amerikanischem Soul und Hip Hop. „Ich war einfach Musik-Fan, vielleicht ein bisschen mehr noch als ein Fan. Ich habe Musik extrem als Rückzugsort für mich empfunden. Wenn ich Musik angemacht habe, konnte ich echt eintauchen und abtauchen.“

Erstes Album und Wake-up-Call

Ganz langsam traut er sich, auch eigene Musik zu machen. Rappen, Singen – doch erst mit rund 35, mit seinem ersten Album „Colors of Hope“ spricht er laut aus, was er ist und sein will: Musiker.

Er tritt mit bekannten Künstlern wie Joy Denalane oder Max Herre auf, spielt in den USA und sieht: auch hier transportiert sich seine Musik. 2013 dann der Wake-up-Call. Bei zwei Schiffsunglücken vor der Küste der Mittelmeerinsel Lampedusa sterben innerhalb von wenigen Tagen mehr als 600 Menschen.

„Da sind voll viele Eritreer*innen und Kinder ertrunken. Für uns war das so: Das ist unsere Biografie ,das ist unsere Geschichte. Bloß wir hatten Glück – wir können nicht ruhig sein! Und das Beste, was uns eingefallen ist, war ein Musikfestival.“

PxP-Festival: Peace by Peace

Zusammen mit seinem Freund Teddy Tewelde stellen sie das PxP-Festival auf die Beine: 17 Music-Acts spielen am 5. Juni 2016 in der Berliner Waldbühne vor 22.000 Zuschauern. Seitdem hat sich das Festival noch ausgeweitet zu „Europas größtem Benefizfestival für Kinder“: Chancen- und Bildungsgerechtigeit stehen im Fokus. Teddy und Fetsum haben zwei weitere Bereiche der Brand gegründet, ein gemeinnütziger und bildungsfördernder Arm und eine Plattform, die andere Events berät und kuratiert. https://pxp.one/