Ellen Wagner ist Diversity-Coach und arbeitet in den USA und Deutschland. Die 41-Jährige spricht im Podcast über die Suche nach ihren leiblichen Eltern, Rassismus in queeren Spaces und Homophobie in der Schwarzen Community – und darüber, warum sie sich bei Workshops manchmal auf den Boden schmeißt.
Schwarzes Kind in weißer Familie
Ellen wurde im September 1980 in Wuppertal geboren. Mit sechs Wochen adoptiert sie eine Familie. Sie wächst als Schwarzes Mädchen in einer weißen Familie auf. Ihr Bruder, fünf Jahre älter und auch adoptiert, ist ebenfalls weiß.
Das Aufwachsen im rheinländischen Hahn empfindet sie zunächst als unkompliziert: Mittelklasse, toller Kindergarten, Papa ist Abteilungsleiter. Sie ist – fast schon klassischerweise – das einzige Schwarze Mädchen in ihrem Umfeld. Als junges Kind tanzt sie viel, später spielt sie Basketball.
„Ich bin nirgendwo richtig zu Hause“
Prägend für sie ist eine Schul-Austauschreise in den Senegal.
„Ich dachte, es geht zu meinem Mutterkontinent, aber als wir dort ankamen – und ich bin ja lightskin – bin ich komplett aufgefallen. Ich bin wie ein Paradiesvogel gewesen. Danach bin ich viel gereist in meinem Leben, ich war in etwa 30 Ländern. Rund um den Äquator gibt es Länder, wo ich untertauchen kann und nicht sofort auffalle. Aber insgesamt hat es mir die Erkenntnis gegeben: Ich bin nirgendwo richtig zu Hause.“
Ellen kennt ihre leiblichen Eltern nicht – bis heute weiß sie nur wenig über ihren biologischen (Schwarzen) Vater und ihre biologische (weiße) Mutter. Auch ein Gen-Test und eine von ihr beauftragte Agentur haben nur wenige Informationen zutage gebracht. Aber sie hat mehrere Halbgeschwister mütterlicherseits gefunden und zum Teil auch kennengelernt.
„Ich hatte nie einen Hinweis darauf, wo ich ‚wirklich herkam‘. Ich hatte kein ‚Elternteil aus …‘, daher war ich immer Alien, war immer anders und hatte diese komplette Wurzellosigkeit. Auch in Schwarzen Spaces habe ich mich deshalb als Außenseiterin gefühlt.“
Verbundenheit durchs Nichtwissen
Auch das Ergebnis des Gentests, das unter anderem Herkunftshinweise auf Angola und Kongo brachte, habe die Lücke nicht geschlossen, sagt Ellen. „Was soll ich jetzt mit dieser Information? Was weiß ich über Angola oder Kongo?“
Mit Schwarzen US-Amerikaner*innen hingegen fühle sie eine Verbundenheit durchs „Nichtwissen“. Sie könnten ebenfalls nicht mehr zurückverfolgen, wo ihre Vorfahren aus der Sklavenzeit herkämen.
Aber auch in Schwarzen Spaces fühle sie sich ift nicht zu Hundert Prozent angenommen, weil sie oft erlebt habt, dass diese sehr heteronormativ seien, zum Teil sogar homophob. Queere Spaces dagegen seien dann zum Teil wieder rassistisch.
„Meine volle Identität kann ich nur zu Hause ausleben in meiner kleinen Familie mit meiner Tocher und meiner Frau. Hier bin ich 110 Prozent sicher.“
Rassismus in Antirassismus-Workshops
Nachdem Ellen jahrelang als Produktmanagerin Hotels eingekauft hat, macht sie sich Ende 2019 als Diversitäts-Coach (in den USA) selbständig. Sie gibt Workshops zu „Diversity, Equity und Inklusion“, für Expats und Unternehmen. Das sei sehr anstrengend – zum Teil auch deshalb, weil sich bestimmte strukturelle (rassistische, sexistische Diskriminierung) Probleme auch in den Seminaren wiederfinden. „Das ist aufreibend. Ich brauche Pausen und einen Tag zum Heilen und Runterkommen.“
Auch eine Erkenntnis: Deutschland hinke in den Debatten und in der Awareness einer gewissen Bubble der USA hinterher. In Deutschland passe „Schwarz und queer sein“ immer noch nicht zusammen für den Mittelstand.
Diese Folge ist Teil der „Work-Edition“ mit dem Schwerpunkt Arbeit. Sie wird unterstützt von LinkedIn.
Kommentare von Frank Joung