Dora Osinde ist in der Werbe- und Kreativbranche tätig. Die 37-Jährige hat deutsch-ugandische Wurzeln. Mit Frank spricht sie über empowernde (weiße) Frauen in ihre Familie, grauen Beton in ihrem Geburtsort Chemnitz und wie es war, bei Netflix zu arbeiten.
Dora wird im August 1985 in Karl-Marx-Stadt, im heutigen Chemnitz, geboren. Ihr Vater kommt aus Uganda, ihre Mutter ist Deutsche. Für Dora ist ihr Geburtsort ein schräger Ort, „der traurigste Ort der Welt“. Sie wächst größtenteils ohne ihren Vater auf, ist die einzige Schwarze in ihrem Umfeld, in ihrer Klasse sitzen Nazis, draußen „Grauer Beton“, wie von Trettman im gleichnamigen Titel besungen. Wenn man sie fragt, wo sie herkommt, sagt sie: „Eigentlich bin ich ein stinknormaler Ossi.“
„Komisches Internetkind“
Ihre Oma spielt eine große Rolle in ihrem frühem Leben, überhaupt, die Frauen in ihrer Familie sind „Bad Bitches“, Boss-Frauen, die unbeirrt ihren Weg gehen. Zum Thema Schule hat sie gemischte Gefühle. Die Noten sind okay, aber sie geht ungern hin, hat Probleme mit Autorität, ist aber sozial akzeptiert und hat Freunde.
Als Jugendliche beschreibt sie sich als ängstlich, depressed, nerdy: „Ich war ein komisches Internetkind.“ Sie entdeckt Hip Hop und Reggae, tingelt zu Partys und Konzerten durchs Land. Zum ersten Mal ist Schwarzsein cool.
„Ich kann was?!“
Nach dem Abitur studiert sie in Leipzig und Halle. Das „Internetding“ wird größer, Social Media nimmt langsam Fahrt auf. Dora ist eine der Wenigen, die damit schon was anfangen kann. All die Jahre von Surfen im Internet, Fernsehschauen und vermeintlich sinnlosen digitalen Beschäftigungen zahlen sich aus: Sie macht Filme, Radio, betreut Social-Media-Kanäle.
„Das Feedback, was ich von meinem Umfeld – Lehrern, meiner Mutter – bekommen habe, war: Aus der wird nix. Es hat sehr lange gedauert, bis ich ein Gefühl dafür hatte, dass ich in irgendwas – im kapitalistischem Sinne – erfolgreich sein könnte.“
Arbeiten bei Netflix
Sie stolpert so von Job zu Job, wie sie sagt und landet von größeren Unternehmen zu noch größeren Unternehmen. 2015 landet sie bei Netflix, einem noch jungen damals unbekannteren Streamingdienst. Nach ein paar Jahren wird sie Head of Global Marketing und leitet internationale Kampagnen auf der ganzen Welt. „Ich habe manchmal drei Kontinente in einer Woche bereist.“
Dora hat nach eigener Aussage eine richtig gute Zeit und lernt viel. Sie schätzt den Freiraum und die Wertschätzung, aber auch der Leistungsdruck ist enorm hoch. Ungesundes Highperformen, nennt Dora das. „Der Preis, den du zahlst, ist Lebenszeit. Ja, du hast einen Arsch voll Kohle und Prestige, aber keine Zeit, und physisch zehrt der Job an dir. Du verpasst Geburtstage, Hochzeiten, Babys.“
2020 verlässt sie Netflix und wechselt zur Kreativagentur „Granny“, wo sie bis vor Kurzem in verschiedenen Führungspositionen gearbeitet hat. Ab Februar 2023 ist sie für Ogilvy Deutschland tätig. Was sie gelernt hat im Job ist:
„Die Stimmung bekommst du als Schwarze Frau, die in irgendwas erfolgreich ist, sehr oft: Die Stimmung von: Das kann doch jetzt nicht sein!“
Kommentare von Frank Joung