Artikel verfasst von Frank Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Sport-Edition“

Dennis Laubhan war als Kind lange dem Eisschnelllaufen verfallen. Dann kam der große Bruch: der Umzug von Kasachstan nach Deutschland. Mit Frank spricht er über Mobbing in der Schule, Selbstzweifel zwischen Russendisko und Bundeswehr und wie er den Sport wiederentdeckte.

Wenn Dennis sich an seine Kindheit in Kasachstan erinnert, glühen seine Augen. „Lange Ferien, tolle Sommer, kalte Winter.“ Die Weite und die Natur geben ihm ein Gefühl von Freiheit und Raum. „Du konntest 18 Stunden im Bus fahren und warst immer noch derselbe Landkreis.“

Gefühl für die Kufen

Als er fünf Jahre ist, bringt ihn sein Onkel zum Eisschnelllaufen – ein populärer Volkssport in Kasachstan. Der Sport gefällt ihm sofort. „Ich hatte gleich ein Gefühl für die Kufen“, erinnert sich Dennis. Er nimmt den Sport ernst, nimmt an nationalen Sportturnieren teil und ist erfolgreich. Auch in der Schule wird er bei Siegen gefeiert. „Ich hatte ein besonderes Leben“, sagt er über seine aktive Eisschnelllaufzeit.

„Wenn du auf der Bahn stehst und alles guckt dich an. Das kribbelt. Dann bretterst du los und siehst nur noch Schwarz-Weiß. Es kribbelt. Dieses Gefühl hatte ich seitdem nie wieder.“

Auffanglager & Schlägereien

Anfang der 1990er aber verlassen immer mehr Freunde und Verwandte das Land – was nicht einfach war für den 15-jährigen Dennis. Auch sein Vater verkündet irgendwann: „Wir gehen nach Deutschland, weil da alle sind. Da ist es besser als hier.“ Dennis freut sich über den Umzug.

Doch die neue Heimat präsentiert sich nicht von ihrer besten Seite. Dennis‘ Familie wird quer durch die verschiedenen „Lager“ der Republik geschickt. In Sachsen lebt sie in einer ehemaligen Kaserne.

„Das war nicht das Schlimmste. Mir hat nicht gefallen, wie es in der Schule zuging. Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir willkommen sind.“

Dennis und andere Aussiedler werden im Schulflur mit Bananschalen und Brottüten beschmissen, im Schulbus beleidigt und gemobbt. Irgendwann fängt Dennis an sich körperlich zu wehren. „Aber dann bist du wieder in dem Klischee: Die Russen sind alle gewalttätig.“

Als er in ein Internat im Schwarzwald kommt – eine Schule mit hohem Anteil von Russlanddeutschen – fühlt er sich zunächst besser. Die Sprachbarrriere fällt weg, aber seine Motivation, die deutsche Sprache lernen zu wollen, bleibt hoch.

„Ich hatte richtig Lust darauf, richtig Deutsch zu sprechen. Scham ist das Gefühl, wenn man sich nicht ausdrücken kann.“

„Der Sport war weg“

Interessant ist: Einsschnelllaufen spielt zu diesem Zeitpunkt in seinem neuem Leben keine Rolle. „Es war weg!“ Auch kein anderer Sport. Daran sei nicht zu denken gewesen, sagt Dennis. Er verpflichtet sich der Bundeswehr – eine Zeit, die ihn prägen sollte. Aber anders als gedacht.

Zwischen Dienst an der Waffe und Russendisko in seiner Freizeit hegt er mehr und mehr Selbstzweifel. „Beim Bund merkte ich irgendwann: Ich mache hier sinnlose Sachen. Ich sitze hier mit einer Waffe in einem Erdloch, nachts, mir ist kalt, es regnet – was mache ich hier?“

Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr ändert er sein Leben um 180 Grad. Die Russendisko gibt ihm nichts mehr, er geht jetzt lieber auf Demos. Schlägereien, Protzereien, schnelle Autos geben ihm nichts.

Er bricht die alten Kontakte ab und beginnt in einer neuen Stadt eine neue Ausbildung zum Erzieher – was er zunächst geheim hält vor seinen Eltern, die diesen Beruf für unmännlich halten. Im neuen Umfeld spürt er, wie gut es sich anfühlt, nicht mehr den harten Mann markieren zu müssen.

„Diese Weltoffenheit (des neuen Umfelds) hat mir imponiert. Da kribbelte es im Bauch.“

Erst mit Mitte 35 entdeckt er den Sport wieder für sich. Zunächst beginnt er, Fußball bei St. Pauli hu spielen und dann noch mal ein paar Jahre später entdeckt er Eisschnelllaufen wieder, seine alte Liebe. An das erste Mal auf Kufen erinnert er sich gut. „Es war alles sofort wieder da. Als wären nicht 25 Jahre vergangen.“

Jetzt engagiert sich der 42-Jährige in zwei Eisschnelllaufvereinen in Hamburg und Berlin für mehr Nachwuchs auf dem Eis.

www.altonaersv.de/eisschnelllauf

ASV auf Instagram: @speedskatinghamburg

Die Serie “Halbe Katoffl Sport” ist entstanden in Kooperation mit „Integration durch Sport“, das dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert. Das Bundesprogramm wird vom Bundesinnenministerium und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert.

Halbe Katoffl abonnieren auf:

Apple Podcastshttps://apple.co/2A6fWsn

Spotifyhttps://spoti.fi/2JQHRoi