Artikel verfasst von Frank Joung

Sung Un Gang ist in Seoul geboren. Der Podcaster („Bin ich süßsauer?“) spricht mit Frank über sein Coming Out und die Reaktionen seiner Eltern, seine veraltete Vorstellung von Deutschland und wie eine Wahrsagerin sein Denken veränderte.

1985 wird Sung Un in Südkoreas Hauptstadt Seoul geboren. Schon früh merkt er, dass er scheinbar anders als die anderen Jungen ist, unterschiedliche Interessen hat – auch die Jungen um ihn herum merken es. „Du bist wie ein Mädchen!“, bekommt er häufig gespiegelt. „Aber ich wollte mich nicht ändern. Ich glaube, ich fand mich selber immer gut.“

Dass er „schwul“ oder „queer“ ist, weiß er zu dem Zeitpunkt noch nicht – zumindest kann er es nicht benennen. „Die Worte kamen erst später zu mir.“ Auch weil Homosexualität oder queere Menschen in Südkorea tabuisiert werden und so gut wie nirgendwo in Erscheinung treten.

„Ich habe gelernt, wie man grau wird“

Die Schulzeit sei vor allem von dem Gefühl geprägt gewesen, nicht „entdeckt“ zu werden. Er widmet sich ganz dem Lernen, durch seine guten Noten fühlt er sich von den Lehrer*innen geschützt. Doch zu Hause ist es nicht einfach. In der asiatischen Weltwirtschaftskrise Ende der 1990er Jahre verliert Sung Uns Vater, der an der Börse arbeitet, seinen Job. In dieser Zeit muss die Familie viel umziehen, das Geld ist knapp.

„Ich habe Druck gespürt, das Familienglück zurückzuerobern.“

Über Verwandtschaftsbeziehungen bekommen sie eine Wohnung gestellt – ausgerechnet in Gangnam, einem der reichsten Bezirke Seouls. Sung Un möchte nicht, dass seine Mitschüler*innen merken, dass seine Familie gar nicht so wohlhabend ist, wie es den Anschein macht.

„Ich habe gelernt, wie man grau wird.“

Erst in der Uni trifft er auf Gleichgesinnte, die seine Interessen teilen. Sung Un studiert Germanistik, er mag Hermann Hesse und Thomas Mann und will Schriftsteller werden. Als er für ein Auslandssemester nach Bonn kommt, lernt er seinen heutigen Mann kennen. Sein Coming Out gegenüber seinen Eltern allerdings endet im Streit. Die Beziehung zu seinem Vater liegt sogar einige Jahre ganz auf Eis.

2019 veröffentlicht Sung Un die erste Episode seines Podcasts „Bin ich süßsauer?“, ein Interviewpodcast mit queeren asiatischen Menschen in Deutschland. Vor allem die Folge mit einer koreanischen queeren Frau, die in Deutschland lebt, hat ihm gezeigt, dass es auch ältere koreanische Menschen gibt, die offen zu ihrer Homosexualität stehen.

„Es macht einen Unterschied zu wissen: Ich habe auch einen Platz in der Geschichte.“

Weitere Themen: Krasse Selbstzensur, nordkoreanische Spione, wenn Wahrsagerinnen Recht haben, wie koreanische Kirchen gegen queere Menschen hetzen, was ein Baumarkt mit seinem Podcast zu tun hat und welche Branche in Korea die wohl queerfreundlichste ist.