Souad Lamroubal ist Migrationsexpertin, Autorin und seit 2006 hauptberuflich Kommunalbeamtin. Sie hat lange in der Ausländerbehörde gearbeitet. Bei Halbe Katoffl spricht die 42-Jährige über die wahren Gründe, warum Integration scheitert, was Behördensprache bewirken soll und weswegen sie Beamtin geworden ist, obwohl sie eigentlich nie wieder zum Amt wollte.
„Du bist nicht willkommen“
Souad wird im Juli 1982 in Dormagen geboren. Ihre Eltern sind aus Marokko. In den ersten Jahren lebt sie wie viele Einwandererkinder in dieser Zeit in einem so genannten „Brennpunkt“: urban, „abgespalten“, wie sie sagt, inmitten von viel Armut und viel Gewalt. Und trotzdem hat sie die Zeit gut in Erinnerung. Denn obwohl es viele offensichtliche Probleme gibt, gibt es immer viele Kinder, immer was zu tun – und: „Mama. Sie war immer da.“
In der Schule ist sie laut – und antrangend für die Lehrer*innen. „Ich war sehr rebellisch und gleichzeitig nicht blöd und deswegen eine Überforderung für die Lehrer.“ Auf dem Gymnasium fangen die Probleme erst richtig an, sagt sie. Anderes Umfeld, Lehrkräfte, die beim Beruf ihres Vaters – Kesselreiniger – die Nase rümpfen. Ihr wird vermittelt, dass sie nicht dazugehört.
„Du merkst: Du hast nicht das, was andere Kinder haben und fängst an, dich selbst infrage zu stellen. Irgendwas passt nicht, du bist nicht willkommen.“
Role Model Mama
Sie bleibt sitzen, findet aber einen besten Freund, mit dem sie alles zusammen durchmacht. Zudem ist ihre Mutter diejenige, die sie immer unterstützt: „Es gab eine starke Stimme, die immer wieder gesagt hat: Aus dir wird was: Lass dir nichts vorgaukeln – und das war meine Mama. Davon schöpfe ich heute noch.“ Leider verstirbt ihre Mutter früh.
Wie in vielen Familie mit Migrationsgeschichte muss sie Behördengänge mit ihren Eltern machen. Sie erinnert sich an eine bestimmte Situation beim Sozialamt, wo der Sachbearbeiter ihren Vater demütigt. „Dir wird richtig gezeigt, dass du nichts bist!“ Sie spürt die Angst, den Druck ihres Vaters, und dass er alles schluckt.
„Kommunalverwaltung: Da passiert das Leben!“
Trotz oder gerade wegen dieser Erfahrungen geht Souad in die Kommunalverwaltung. „Ich habe ein gewisses Interesse an dem Job entwickelt und ein Wunsch nach Veränderung.“ Jura ist im Gespräch, aber Souad zieht es in die Ausländerbehörde: „Kommunalverwaltung: Da passiert das Leben!“
Aber selbst von innen lässt sich nicht so viel verändern, wie man möchte. Sie trifft auf Sachbearbeiter-Hardliner, die noch gehypt werden, wenn sie ohne Rücksicht abschieben, auf gut integrierte Menschen, die aufgrund der Nationalität abgeschoben werden müssen, auf interne rassistische Strukturen und eine Behördensprache, die in ihrer Komplexität und Verworrenheit vor allem belehren und einschüchtern soll. Eine Machtdemonstration. „Grausam und frustrierend“, findet Souad das.
„Unsere Verwaltungskultur, unser System ist gescheitert und das trägt auch dazu bei, dass Integration scheitert. In der Ausländerbehörde entscheidest du darüber, wie sich jemand in welcher Form integrieren darf. Du entscheidest über Wohnen, Arbeiten, Ausbildung, Studium usw. Die Gesellschaft nimmt es aber so wahr, dass Integration deshalb nicht funktioniert, weil die Einzelnen keinen Bock darauf haben. Das ist aber nicht die Wahrheit.“
Souads Buch: Yallah! Deutschland, wir müssen reden! Dietz Verlag
Diese Folge ist Teil der „Work-Edition“ mit dem Schwerpunkt Arbeit. Sie wird unterstützt von LinkedIn.
Kommentare von Frank Joung