Simon Usifo ist Deutscher mit nigerianisch-französischen Eltern. Der 41-Jährige arbeitet für eine große Werbeagentur. Mit Frank spricht er über die Liebe zum Vermitteln, warum er als Chef wieder Deutsch lernen musste und wie man in China Geschäfte macht.
Das Leben von Simon beginnt in Bonn. Dort wird er im Juni 1980 geboren. Sein Vater kommt aus Nigeria, seine Mutter ist Französin. Seine Schulzeit ist geprägt von zwei sehr unterschiedlichen Umfeld-Begebenheiten – zum einen die Grundschule: hoher Anteil von Kindern aus eher ökonomisch schwachen Migrantenfamilien, später dann das Gymnasium, wo sich viele gut situierte Politiker:innen- und Diplomat:innenkinder tummeln. Beide Schulen haben aber gemeinsam, dass sie sehr divers sind.
Schule als Schutzzone
Simon erinnert sich: „Das Gymnasium war ein Clash! Aber die Kontraste haben mich unheimlich stimuliert.“ Besonders auf der weiterführenden Schule verinnerlicht er noch mehr, was ihm sein Vater – der verstirbt, als Simon zehn Jahre alt ist – bereits früh mitgab: „Bildung ist das Wichtigste.“ Gleichzeitig lernt er die große internationale Welt kennen, was ihn inspiriert. „Ich wollte mehr davon.“ Er wird Klassen- und Stufensprecher und engagiert sich viel, ist ein sehr guter Schüler. „Vielleicht war ich etwas ‚too eager‘, zu eifrig. Es war sicher auch unterschwellig eine Art, Anerkennung zu erzwingen“, sagt er heute.
„Auf dem Gymnasium lernten 42 Nationen unter einem Dach. Das war gelebte Inklusion und eine Bubble, aber nicht mein Alltag, sondern meine Schutzzone.“
„Ich habe die Sportschuhe an- und meine Hautfarbe ausgezogen“
Im Alltag erlebt er des Öfteren rassistische Situationen. Eine große positive Prägung ist aber die Liebe zum Sport. Simon ist ein sehr guter Langstreckenläufer. In seinem lokalen Verein wird er anerkannt und respektiert. „Da habe ich mich unheimlich wohl gefühlt.
Es war ein bisschen so: Ich habe die Sportschuhe an- und meine Hautfarbe ausgezogen.“
Er ist Vorzeigeathlet und wird sogar in die Jugendnationalmannschaft eingeladen – er ist aber gar kein Deutscher vom Pass. Simon entscheidet sich für den deutschen Pass – er will für Deutschland laufen. Seine französische Mutter heißt das nicht gut.
Im Ausland: „Ich darf mich weiß fühlen – absurd“
Wie sehr er deutsch ist, merkt Simon erst im Ausland. Er absolviert viele Praktika bei großen international agierenden Unternehmen. Nach dem Studium geht er nach London, wo er zum ersten Mal spürt, dass seine Hautfarbe kein identitätsstiftendes Merkmal mehr ist. Es geht sogar soweit, dass er als „Light Skin“ dort im Zweifel besser behandelt wird als andere Schwarze, die „Dark Skin“ sind. „Da darf ich mich ‚weiß‘ fühlen – es ist absurd.“
Er erlebt aber auch, dass er im Ausland viel mehr als Deutscher akzeptiert wird als im eigenen Land – auch eine absurde und auch schmerzliche Erfahrung. Nach seiner Zeit in London arbeitet er mehrere Jahre in Shanghai, wo er unter anderem am Beispiel von „Wasserdruck, Dichtungsfugen und Doppelverglasung“ lernt, wie stark er deutsche Werte verinnerlicht hat und sie für den einzig wahren Standard hält. „Verzweifelst suchst du den Obi!“, sagt er lachend über sich selbst.
„Common Sense hab ich China neu gelernt. Was es heißt, tolerant zu sein – und wie viele Vorurteile ich selbst habe.“
„An Soft Skills ist nichts Softes dran“
Er lernt, wie man in China Geschäfte macht, wie sich das von dem westlichen oder deutschen Weg unterscheidet und er lernt, dass er mehr Empathie und Verständnis zeigen kann als manch anderer. Mehr und mehr nimmt er eine Vermittlungsrolle zwischen Partner:innen verschiedener Kulturen ein. Da er fließend englisch, deutsch und französisch spricht, kann er sich auch oft sprachlich gut anpassen.
Gerade bei internationalen Partner:innen scheitern Vertragsabschlüsse und Kooperationen nicht nur an Hard Facts sondern auch an mangelnden Soft Skills. „Beziehungsebene vs. rationale Ebene – In China muss man erst mal miteinander warm werden als Mensch, erst dann gibt es das Vertrauen.“ Und nur, wenn das da ist, macht man gemeinsam Business.
„An Soft Skills ist nichts Softes dran“, sagt Simon daher. Das musste er aber auch erst lernen. Oft kam er in höhere Positionen, für die er eigentlich noch gar nicht ready war. Aber er versuche über Kommunikation, Transparenz und Fehler machen und eingestehen eine Arbeitskultur zu schaffen, in der man gemeinsam zum Ziel gelangt. „Du kannst High Performance sein und trotzdem ein guter Mensch.“ Business machen und Haltung zeigen schließe sich nicht aus – selbst in einem vergleichbar oberflächlichen Geschäft wie die Werbeindustrie.
Weitere Themen: Netto-Essenszeit, Streitkultur, Anglizismen, Code Switching und das Integrationsspiel „Jan und Peter“.
Diese Folge ist Teil der „Work-Edition“ mit dem Schwerpunkt Arbeit. Sie wird unterstützt von LinkedIn.
Kommentare von Frank Joung