Artikel verfasst von Simone Ahrberg-Joung

Pawel Mordel kommt 1983 in Lublin, Polen, auf die Welt. Bei Halbe Katoffl erzählt er, wie ihn seine Jugendzeit in einer Berliner Plattenbausiedlung prägte, was er in Yale gelernt hat und warum sein Projekt „After School Hustle“ seine biografischen Lebenswelten perfekt vereint.

Pawels Eltern, gerade fertig mit ihrem Studium, geraten wegen ihres regimekritischen Engagements gegen die sozialistische Regierung in Schwierigkeiten und fliehen 1988 mit dem kleinen Pawel nach West-Berlin.

Deutsch lernen beim Fernsehen

Nach einigen Monaten in einem Asylantenheim in Braunschweig und einem kurzen Aufenthalt in Bad Sachsa, im Harz, kehrt die Familie nach Berlin zurück und lässt sich dort im Plattenbau-Viertel Staaken in Spandau nieder.

Pawel erinnert sich dunkel an die erste Zeit in Deutschland. Da er noch sehr jung ist, sei ihm der Wechsel zwischen den beiden Ländern nicht schwer gefallen. Während seine Eltern einen Sprachkurs besuchen, findet er zu Hause über das Fernsehen einen ersten Zugang zur deutschen Sprache.

Pawel besucht noch ein Jahr den Kindergarten und wird dann eingeschult. In der Grundschule habe seine Herkunft nie eine Rolle gespielt, sagt er.

„Die Leute kamen aus allen Ländern, es hat nie jemanden interessiert. Weder die Kinder noch die Eltern haben das thematisiert.“

Pawel ist ein guter Schüler. Obwohl er eher still und zurückhaltend ist, wird er von den anderen Jungs akzeptiert. Manche geraten schon früh in Schlägereien, ziehen Leute ab, rauchen und kiffen. Pawel hängt mit ihnen in der Videothek und im Jugendclub ab.

„Ich bin eher introvertiert, auch gerne mal allein, aber trotzdem habe ich ein Grundinteresse an Menschen. Und vielleicht auch Angst vor Einsamkeit. Deswegen suche ich den Kontakt.“

Abhängen, Sport und kreativ sein

Als er auf eine mathematisch ausgerichtete Oberschule nach Charlottenburg wechselt, wird ihm durchaus bewusst, dass er aus einer ärmeren Gegend stammt, aber auch hier fällt das nicht groß ins Gewicht. Die Freundeskreise sind ganz selbstverständlich durchmischt.

Pawel verbringt eine ganz „normale“ Jugendzeit. Er spielt Basketball in der Schulmannschaft, probiert sich im Football aus und hängt viel rum. „Nix besonderes“, sagt er. Er macht viel am Computer; spielt nicht nur, sondern versucht auch, sich schöpferisch auszudrücken. Er übt sich in Grafikdesign und im Programmieren.

Nach der Schule hat Pawel keine Ahnung, was er machen soll. „Ich habe mich immer für soziale Fragen und Politik interessiert. Deswegen habe ich Politikwissenschaft studiert. Einfach aus Interesse an dem Fach.“

Yale – wie ein Kreuzfahrtschiff

Nach der Uni arbeitet er in Werbeagenturen und für Start-ups im Bereich Design und Website-Programmierung. Nach einiger Zeit langweilt ihn das und er bewirbt sich an der Business School der Yale University für einen Masterstudiengang. Er bekommt den Platz und lebt für zwei Jahre auf dem Yale Campus, der ihm wie ein Kreuzfahrt-Schiff erscheint:

„Alle sind da, um zu lernen, alle Services sind da. Du kannst dich gut auf deine Arbeit konzentrieren.“

Die zwei Jahre in Yale sind für Pawel „eine sehr schöne Zeit“, auch wenn der Anfang durchaus hart gewesen sei: „Ich fragte mich, ob ich es überhaupt verdiene, hier zu sein.“

„Die Leute sind alle ambitioniert und gut in dem, was sie machen. Sie sind in einem unglaublich guten System. Wenn man die Uni dort mit hier vergleicht – das ist eine ganz andere Nummer.“

After School Hustle

In Yale lernt Pawel nicht nur seine Stärken kennen. Es ist eine wichtige Zeit der Selbstreflektion. Ihm wird dort bewusst, was er mag und was ihm wirklich wichtig ist. Zurück in Berlin, nimmt Pawel zunächst einen Job in einer Werbeagentur an. Er übernimmt die Teamleitung und arbeitet eng mit der Geschäftsführung zusammen.

Nach einem Jahr ist er bereit für sein eigenes großes Projekt, das stark durch seine Vita geprägt ist: Er gründet „After School Hustle“, ein gemeinnütziges Non-Profit-Bildungsprogramm für Teenager, eine

„Workshop-Fabrik“, die Jugendliche mit Berufsprofis aus verschiedenen Bereichen zusammenbringt. Es soll ihnen eine Idee davon vermitteln, was möglich ist, und ihnen Orientierung geben.

Cooler Job – ohne viel Kohle, aber mit Freude

„Die Kids kommen zum Teil ohne Vorstellung, was überhaupt sein könnte. Du stößt da oft die erste Tür auf. Wenn du überhaupt keine Orientierung hast, dann weißt du gar nicht, wo du ansetzen sollst.“

Nach zwei Jahren hat das spendenfinanzierte Projekt an die 100 Workshops realisiert und Pawel ist begeistert, wie gut das funktioniert.

„Ich erschaffe einen Organismus, der in immer größerem Stil Workshops produzieren kann. Ich habe jetzt einen coolen Job, bei dem ich zwar darauf verzichte, richtig viel Kohle zu machen, aber dafür mache ich etwas, was mir viel Freude bereitet.“

Pawel auf Instagram: @pawelmordel

Text: Simone Ahrberg-Joung

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