Artikel verfasst von Frank Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Kein Schlussstrich“

Ferda Ataman ist Journalistin, Autorin und Sprecherin der Neuen Deutschen Medienmacher:innen. Wir reden über Kofferkinder und Türkenklassen, über Streitlust und emotionale Pickel, über ihren geplatzten Traum, Schauspielerin zu werden und darüber, wie man die eigene Meinung und Journalismus zusammenbringt.

Geboren ist Ferda Ataman 1979 in Stuttgart, aufgewachsen ist sie aber in Nürnberg. Ihre Mutter ist türkisch, ihr Vater ist Deutscher mit türkischen Eltern. „Ich bin also zweite und dritte Generation.“

„Mir war früh klar, dass ich beides bin“

Ihre Familiengeschichte beschreibt sie als schwierig: Die Eltern trennen sich, sie wohnt bei der Mutter, ihre ältere Schwester ist „Kofferkind“, lebt mal bei der Großmutter in der Türkei, mal in Deutschland. Aufgrund der familiären Situation aber auch, weil ihre Mutter eher einen alternativen Lebenstil pflegt, sind sie weder in der deutschen noch in der deutschtürkischen Community voll eingebunden.

„Ich wurde wahrscheinlich fast nichts in meinem Leben so oft gefragt wie: Wo fühlst du dich mehr zu Hause: Deutschland oder Türkei? Oder: Was bist du jetzt mehr? Mir war früh klar, dass ich beides bin.“

Das aber kommt ihr zugute, als sie ihre Mutter dagegen wehrt, dass Ferda in die so genannte „Türkenklasse“ kommen soll. Dort wurden die Kinder von Gastarbeiter:innen-Familien auf die „Heimkehr“ in die Türkei vorbereitet. „Das waren Go-Home-Klassen“, sagt Ferda schmunzelnd. Rassismus hat sie natürlich oft erlebt – aber, wie sie sarkastisch anmerkt, wahrscheinlich nicht mehr als der „Standard“. Dieses ständige „Hoffentlich sagt jetzt keiner was“ habe sie gestresst.

„Im Journalismus gab es nur Gabys, Brigittes und Männer“

Ferda ist ein Kind, das mehr Fragen hat als die anderen – sagt sie selbst. „Ich war sehr extrovertiert, stand gerne im Mittelpunkt, war gerne Anführerin und Bestimmerin – in Kindersprache gesprochen“. Die Teenagerjahre aber hat sie als „wahnsinnig schlimm“ in Erinnerung. „Da will ich nie mehr hin zurück!“

Sie will Schauspielerin werden, auf Bühnen stehen, doch ihr Traum erfüllt sich nicht. Stattdessen studiert sie Politikwissenschaften. „Ohne zu wissen, was ich damit machen kann.“ Sie bewirbt sich für Journalist:innenschulen (und wird angenommen), schreibt Reden für Armin Laschet, später für Spiegel Online und andere Medien. 2008 gründet sie mit anderen die Neuen Deutschen Medienmacher:innen.

„Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich Journalistin werden kann, weil es gab keine einizige Journalistin, die so ähnlich war wie ich. Es könnte auch ein Mann gewesen sein. Es gab niemanden. Es waren alles Gabys, Brigittes – oder halt Männer.“

Wie viel Haltung darf eine Journalistin haben?

Mittlerweile ist Ferda Ataman eine der wichtigsten und prominentesten Stimmen, die sich für Vielfalt und Inklusion in der Medienlandschaft einsetzen. Im Journalismus gibt es die andauernde Diskussion darüber, ob Medienschaffende stets „objektiv“ und „neutral“ sein müssten, ob sie eine „Meinung“ oder „Haltung“ haben dürften und in welcher Weise sie sie äußern dürfen. Ferdas Haltung ist klar und transparent, sagt sie. Sie stehe für menschenrechtliche, universelle Werte.

„Ich habe eine Zeit lang überlegt: Nenne ich mich Menschenrechtsaktivistin. Aber ich glaube, es ist falsch. Das, was ich tue, sollte Standard sein. Ich finde, das ist Grundgesetz konforme Haltung.“

„Staat und Zivilgesellschaft haben beim Thema NSU versagt“

Im November 2021 war sie im Beirat vom bundesweiten Theaterprojekt „Kein Schlussstrich!“, das sich mit dem NSU und anderen rechtsextremen Taten in Deutschland auseinandergesetzt hat.

Schockierend zu sehen, wie kontinuierlich staatliche Gewalten versagten, wenn es um die Aufklärung von Gewalttaten an migrantisch geprägten Familien ging. Schlimmer noch: Oft wurden die betroffenen Familien oder das soziale Umfeld zu Unrecht verdächtigt, Aufklärung aktiv verhindert und die Kontinuität von rechter Gewalt über Jahre geleugnet.

In dem Vorwort zum „Kein Schlussstrich!“ schreibt Ferda:

„So oder so müssen wir uns eingestehen: Nicht nur der Staat, auch die Zivilgesellschaft hat beim Thema NSU versagt. Die große Solidaritätswelle, die einzig logische Reaktion einer halbwegs empathischen Gesellschaft, ist ausgeblieben. Die meisten Menschen haben sich fürs exzessive Verdrängen entschieden. Für viele Jahre auch ich. Doch das geht nicht. Mit den NSU-Akten wurde auch unsere Demokratie ein Stück weit geschreddert.“

Diese Folge ist entstanden in Kooperation mit „Kein Schlussstrich! Ein bundesweites Theaterprojekt zum NSU. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms „Demokratie leben!.