Artikel verfasst von Simone Ahrberg-Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Sport-Edition“

Denny Pham ist einer der besten Skater Deutschlands. Sein Vater kommt aus Vietnam, seine Mutter ist Deutsche. Ein Gespräch über das Aufwachsen in der Platte, den Anschlag in Rostock-Lichtenhagen und wie er aus dem juvenilen „Skate-Life“ einen Beruf und eine Karriere gemacht hat.

Denny wird 1989 in Rostock geboren. Seine Eltern hatten sich zwei Jahre zuvor kennengelernt. Eine Zeit lang lebt der Vater in einem Wohnheim mit vielen anderen Vietnamesen im Sonnenblumenhaus. Auf diesen Plattenbau-Komplex in Rostock-Lichtenhagen sollten später 1992 Neonazis rassistische Anschläge verüben. Zu dem Zeitpunkt lebt sein Vater zwar nicht mehr dort. „Aber meine Eltern waren an dem Wochenende in dem Haus drin, weil sie Freunde besucht haben“, sagt Denny. Obwohl ein gewaltbereiter Mob aus Nazis und Anwohnern das Asylbewerberheim und das Wohnheim belagern, Fenster einschmeißen und Molotowcocktails schmeißen, die Polizei völlig überfordert ist und niemanden stoppen kann, wird wie durch ein Wunder niemand schwer verletzt oder getötet.

Denny und seine ältere Schwester, ein Kind aus der ersten Ehe seiner Mutter mit einem (weißen) Deutschen, verbringen das Wochenende bei den Großeltern und bekommen von alldem nichts mit. Erst später erfahren die Kinder von den traumatischen Erlebnissen der Eltern.

„Ich bin sehr deutsch aufgewachsen“

Dennys Eltern trennen sich, als er sechs Jahre alt ist. Nachdem sein Vater einige Zeit später von Rostock nach Halle zieht und dort eine zweite Familie gründet, sieht er ihn nur noch selten. Denny und seine ältere Schwester leben bei der Mutter in Rostock. „Ich bin sehr deutsch aufgewachsen“, sagt Denny.

Die Beziehung der (Halb-) Geschwister ist eng. „Meine Schwester und ich waren schon ein auffälliges Pärchen in der Platte, weil wir einen komplett unterschiedlichen Look hatten. Sie hat schon so eine kleine Punk-Vergangenheit.“ Aber auch der asiatische Anteil von Denny, den seine Schwester nicht teilt, fällt den Leuten auf.

„Ja klar, da kamen dann schon Sprüche: Klassiker wie ‚Fidschi‘, ‚Chinese‘ oder aber auch mal ‚Russe‘ – den konnte ich jetzt nicht sehen.“

Mit 15 Jahren zieht Dennys Schwester nach Berlin in eine betreute Wohngruppe, und er ist in Rostock noch stärker auf sich allein gestellt. In den folgenden Jahren besucht seine Schwester häufig, begleitet sie in Clubs und auf Partys. Früh weiß er: „Hier will ich auch mal leben.“

„Ich hab mich allein groß gezogen“

Als er zehn Jahre alt ist, leiht ihm ein Freund ein altes Skateboard. Er beginnt zu üben und verbringt viele Stunden auf dem Brett. Zum Geburtstag schenkt ihm seine Mutter, die seine Leidenschaft für das neue Hobby erkennt, sein erstes eigenes Board.

„Ab da war nur noch Skaten. Ich habe angefangen, die Welt zu exploren.“

Dennys Mutter hat eine Fernbeziehung in Dortmund, wo sie auch arbeitet, und kommt nur alle zwei Wochen für ein paar Tage nach Hause. „Da hab ich mich ein bisschen allein großgezogen, zusammen mit den Jungs.“  Seine Skater-Freunde sind Dennys Ersatzfamilie. „Man hat echt alles zusammen gemacht. Wir hingen 24/7 aufeinander.“

Mit 16 Jahren ist Denny mit der Schule fertig. Berufliche Pläne im klassischen Sinne hat er nicht, aber ihm ist klar, dass seine Chance im Skaten liegen. Er und seine Freunde beginnen ihre Tricks zu filmen und auf YouTube hochzuladen.

Dennys hat mit 16 ein „Best-of“-Tape für potenzielle Sponsoren zusammengestellt.

„Meine Mutter hat mich machen lassen und das war auch gut so. Sonst hätte ich meine Chance beim Skaten vielleicht verpasst.“

Durchs Skaten um die Welt

Denny gewinnt die ersten Sponsoren, fährt Contests und steht für aufwändige Video-Shoots auf dem Brett. Nach und nach macht er auch international auf sich aufmerksam. Highlight ist sein erstes Signature Board, ein eigenes Brett mit seinem Namen drauf.

Durch das Skaten kommt Denny um die Welt; mehr als 30 Länder, so schätzt er, hat er inzwischen bereist. Er nimmt nicht nur an sportlichen Wettkämpfen teil, sondern versteht das Skaten auch als kulturellen Austausch.

Er arbeitet gerne dokumentarisch und beschreibt Skaten als Kommunikationsmittel. Eine seiner beeindruckendsten Touren ist eine Reise in den Iran: „Der Skateboard-Kulturaustausch war so kontrastreich.“

Dennys Vater findet lange keinen Zugang zur Leidenschaft seines Sohnes für das Skaten; fragt ihn immer mal wieder, ob er „das mit dem Brett“ noch macht und ob er sich nicht einen vernünftigen Job suchen wolle. „Dass ich damit die Welt kennen gelernt habe, die Welt bereist habe – das hat er erst kürzlich verstanden.“

Plan: Nach Vietnam mit seinem Vater

Lange hat Denny nur wenig Verbindung zu seinem Vater und er weiß wenig über ihn: Zu jung sei Denny gewesen, sagt der Vater, um all die krassen Geschichten zu verstehen, zum Beispiel davon, wie er mit 14 Jahren den Kambodscha-Krieg erlebt hat. Vieles erfährt Denny von seiner Mutter. Doch Vater und Sohn planen ein gemeinsamen Trip nach Vietnam:

„Ich wollte schon immer die Wurzeln meines Vaters aufsuchen. Wo kommt er her? Wer ist er eigentlich? Wir haben uns vorgenommen, die Familie meines Vaters in Hải Phòng zu besuchen. Das interessiert mich schon. Er hat zehn Brüder; seine Eltern leben auch noch.“

Zurzeit trainiert Denny für die Olympia-Qualifikation in Tokyo nächstes Jahr. Zum ersten Mal wurde Skaten in den Kreis der olympischen Sportarten aufgenommen. Noch ist er nicht qualifiziert, aber er rechnet sich Chancen aus. Mit 30 Jahren ist er langsam an dem Punkt angelangt, an dem er seine professionelle Karriere so lange wie möglich verlängern will, aber sich auch schon Gedanken für „Danach“ macht.

„Ich habe das Gefühl, dass ich noch lange weitermachen kann und will. Es bereitet mir nach wie vor eine extrem große Freude auf dem Board zu stehen. Ich spüre aber auch langsam, dass da etwas Neues kommt und stattfindet. Man hat einen anderen Blick auf das Leben als vor zehn Jahren.“

Instagram: @dennypham

Die Serie “Halbe Katoffl Sport“ ist im vergangenen Jahr in Kooperation mit „Integration durch Sport“ entstanden, anlässlich dessen 30-jährigen Jubiläums. Das Bundesprogramm wird vom Bundesinnenministerium und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Wegen des großen und positiven Zuspruchs wird die Podcastreihe in diesem Jahr fortgeführt. Sie erscheint immer Mitte des Monats. Hier findest du die anderen Sport-Episoden.