Artikel verfasst von Frank Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Work-Edition“

Christiana Bukalo ist Sozialunternehmerin und Co-Gründerin von Statefree e.V. Der Verein setzt sich für Menschen ohne geklärte Staatsangehörigkeit ein. Christiana hat keinen (deutschen) Pass, obwohl sie in München geboren ist. Warum sie nicht mal eine Geburtsurkunde besitzt, weshalb sie die Schule geliebt hat und wie ihre erste Flugreise verlief, erzählt sie im Gespräch mit Frank.

Staatenlosigkeit wird vererbt

30 Jahre ist Christiana alt. Sie hat noch nie einen Pass besessen. 1994 wird sie in München geboren. Ihre Eltern waren aus einem westafrikanischem Land nach Deutschland gekommen. Doch da sie keine Papiere dabei hatten, blieb ihre Staatsangehörigkeit ungeklärt – bis heute. Und da in Deutschland das Abstammungsprinzip herrscht, ist deutsch von Geburt aus nur jemand, der auch deutsche Eltern hat. Und damit ist auch Christiana staatenlos.

Zunächst lebt die Familie einem „Asylheim“, wie es damals hieß. Christiana darf nicht in den Kindergarten gehen. Erst nach Jahren können sie in eigene vier Wände ziehen.

„Da ändern sich meine Erinnerungen von dunkel zu hell.“

Von dunkel zu hell

In der Schule wird es noch heller. Denn Christiana liebt die Schule und hat riesigen Spaß am Lernen. „Da konnte ich zum ersten Mal Sachen machen und man hatte Raum und soviel Platz!“ Als Teenager engagiert sie sich ehrenamtlich in der Kirche, organisiert Events und erfährt, wie es ist, wirksam zu sein und gefördert zu werden. Aber sie erlebt auch schwere Momente: „Wenn alle deine Freunde in den Bus steigen, um nach Spanien zu fahren, aber du nicht mit darfst, weil du keinen Pass hast.“

„Ich musste für meine mentale Gesundheit, den Wert eines Passes runterschrauben, weil ich irgendwann gemerkt habe, dass ich hinterfrage, ob es sinnvoll ist, dass ich auf der Welt bin. Wegen etwas, dass einfach nur erfunden wurde. Daher ist es nicht mehr der eine große Traum. Viele wünschen sich, dass sie nicht staatenlos sterben. Ich wünsche es mir auch, aber wenn es doch passieren sollte, wünsche ich mir, dass ich trotzdem mein Leben als wertvoll betrachtet habe.“

Die Barrieren für staatenlose Menschen sind vielfältig. Als Christiana mit der Schule fertig ist, darf sie beispielsweise nicht an einer staatlichen Universität studieren. Sie muss sich an einer privaten Uni einschreiben.

Mit Reiseausweis abgewiesen

Mit 18 erhält sie einen „Reiseausweis“, mit dem sie zwar ins Ausland reisen darf – aber es nicht gesichert ist, dass sie auch ins Reiseland reingelassen wird. Als sie nach Marokko fliegt, wird sie am Flughafen abgewiesen und darf nicht einreisen. Nach 20 Stunden Aufenthalt im Flughafen wird sie wieder in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt – eine traumatische Erfahrung.

Diese Erfahrung aber ist ein Schlüsselmoment für die Gründung von Statefree e.V. Denn danach stößt sie bei der Recherche nach einer Zahl vom Statistischen Bundesamt.

„Damals waren 117.000 Menschen ohne Staatsangehörigkeit – und ich war so: What?! Und da war dann das Verständnis: Es bin nicht nur ich, sondern es ist ein strukturelles Problem und es kümmert sich einfach keiner drum. Und dann habe ich entschieden: Vielleicht sollte ich was machen.“

https://statefree.world/

Diese Folge ist Teil der „Work-Edition“ mit dem Schwerpunkt Arbeit. Sie wird unterstützt von LinkedIn.