Artikel verfasst von Frank Joung

Xi Chen ist durch ihren Instagramkanal „EatinginBerlin“ bekannt geworden. Dort teilt die gebürtige Chinesin ihre Leidenschaft Reise und Essen. Bei Halbe Katoffl spricht sie über Glutamat-Irrtümer, kulturelle Aneignung bei Rezepten und warum sie trotz einer optimistischen Lebenshaltung lange mit Depression zu kämpfen hatte.

Essen ist Kommunikation

Xi, der Öffentlichkeit eher als Sissi bekannt, wird 1989 in Beijing geboren. Ein Großzeit ihrer ersten Lebensjahre verbringt sie mit ihren Großeltern in China. Ihre Eltern sind schon früh in Österreich. Erst mit sieben Jahren fliegt sie – alleine – in das Aufenthaltsland ihrer Eltern. An den Flug erinnert sie sich noch sehr gut: „Eine andere Familie hat auf mich aufgepasst, und die Tochter mochte ihr Essen nicht. Also hatte ich immer doppelte Portionen. Und das Essen war super lecker!“

Generell sind die Erinnerungen an ihre Kindheit mit ihren Großeltern sehr stark geprägt vom Essen. Über Gefühle wird nicht gesprochen. Alles findet mit und übers Essen statt.

„Essen ist Teil der nonverbalen Kommunikation“

In China ist die Frage „Hast du schon gegessen?“ wichtiger Bestandteil der Begrüßung. Der Stellenwert von Essen ist unglaublich hoch. Keine Menschenzusammenkunft ohne was zu essen.

In Wien angekommen wird sie direkt in die 2. Klassen eingeschult – ohne jegliche Sprachkenntnisse. In der Schule, berichtet Sissi, hatte sie nie eine bestimmte Clique, kam aber mit allen klar. Sie ist eine vielseitig interessierte Schülerin – die ihre Süßigkeiten gegen die Pausenbrote anderer tauscht. Denn ihre Eltern haben keine Zeit, ihr Lunchpakete vorzubereiten. Zuhause kocht sie sehr oft selber.

Obwohl sie sehr kreativ ist und eine künstlerische Ader hat – sie zeichnet und malt gerne –, entscheidet sie sich für ein BWL-Studium. Doch dann holt sie ihre Vergangenheit ein.

„Das hättest du beinahe nicht erlebt“

„Als junge Erwachsene im Studium war ich unglaublich depressiv. Ich hatte aber eine krasse Disziplin – vermutlich durch meine Erziehung, so dass es niemand mitgekriegt hat. High function anxiety. Ich war sogar zeitweilig suizidgefährdet.“

Erst als sie Therapie macht und die früheren, Missbrauchs- und Rassismuserfahrungen aufarbeitet, geht es ihr nach und nach besser. „Deshalb bin ich oft auf Reisen, weil ich das Bedürfnis habe, viel nachzuholen. In schönen Momenten denke ich manchmal: Wow, krass. Das hättest du beinahe nicht erlebt. Dann bin ich stolz auf mich, dass ich geschafft habe zu leben.“

Übers Essen in die Selbständigkeit

Nach einigen Jahren in der Werbewelt entschließt sie sich, sich mehr ihrer eigentlichen Leidenschaft – dem Essen – zu widmen. Sie postet Rezepte, Empfehlungen und Informationen zu Reisen und Essen. Nicht unbedingt nur Restauranttipps oder Food-Hacks, sondern auch kulturelle Hintergrundinfos, wie zum Beispiel zu Glutamat, kulturelle Aneignung beim Essen oder auch Rassismus/ Diskriminierung in der Foodszene.

Im April 2024 ist ihr Kochbuch „Einfach chinesisch“ bei Dumont erschienen. Eine der größten Herausforderungen dabei waren die Mengenagaben. Denn in Asien wird meist ohne gekocht. Aber Sissi ist zufrieden. Sie sagt: „In dem Buch stecken meine Kindheit, meine Jugend, meine Mama – und ich.“

Instagram: @eatinginberlin

Kochbuch: „Einfach chinesisch“, Dumont-Verlag