Mina Saidze ist KI- und Datenexpertin, Gründerin, Autorin und eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Digitalszene. Bei Halbe Katoffl spricht sie über Ethik, Diversität und Fairness im Tech, Nerd-Auffangbecken, Intuition bei der Karriereplanung und welche Rolle ihr Buch bei der Flughafenkontrolle gespielt hat.
Mina wird im März 1993 in Hamburg geboren. Ihre Eltern mussten aus Afghanistan als politische Aktivisten fliehen. Als Älteste von drei Geschwistern wird Mina oft daran erinnert, wie wichtig Bildung ist und welches große Privileg sie genießt, sie in Freiheit zu genießen. Sie habe großen Druck, aber auch große Dankbarkeit verspürt.
„Ich war krasses Mobbingopfer“
In der Schule ist sie sehr gut, aber auch „krasses Mobbingopfer“, wie sie sagt. Weil sie keine Markensachen trägt, wird sie oft verspottet. Rassismus und Klassismus sei da zusammengekommen. „Die Wunde habe ich bis heute.“ Sie ist früh engagiert, gründet eine Schülerzeitung und geht zu der „Grünen Jugend“. Mit ihrer afghanischen Herkunft struggle sie bis heute. „Ich hatte Phasen, da habe ich sie ignoriert und dann wieder Phasen, wo ich dazu gestanden habe.“
Nachdem sie zunächst Sozialwissenschaften studiert, dann zu VWL wechselt und den Wunsch hat, Journalistin zu werden, entdeckt sie nach und nach das Programmieren für sich. Sie bringt es sich selbst mit YouTube, Uni-Seminare und Onlinekursen bei. Was sie mag: „Wenn ich einen Code schreibe, geht es nur darum, ob der richtig oder falsch ist.“
„Ich wollte mich aus der Stereotypenkiste befreien. Mein Einstieg in die Techindustrie war ein Loslassen von Schubladen.“
„Mein Antrieb ist Wut“
Doch auch im Tech gibt’s Schubladen. In fast allen Räumen, in denen sie sich bewegt, sind fast ausschließlich Männer. Manche glauben, dass sich in der Abteilung verirrt habe, Marketing sei woanders, andere wiederum können kaum glauben, dass sie den Code selbst geschrieben hat.
Mina kennt das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, als Woman of Color, als Frau im Tech. „Mein Antrieb ist nicht Karriere, sondern Wut.“ 2020 trifft sie die bewusste Entscheidung, sich mehr für gesellschaftliche Gerechtigkeit einzusetzen. Sie gründet „Inclusive Tech“, europaweit die erste Beratungs- und Lobbyorganisation für Diversity in Tech und KI-Ethik.
Im Herbst 2023 erscheint ihr Buch „Fairtech – Digitalisierung neu denken für eine gerechte Gesellschaft“, in dem sie erklärt, warum soziale Aspekte auch bei der Datenanalyse wichtig sind.
„Es ist wichtig, die Datenanalyse als ein Instrument für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu sehen. Nur wenn wir Zahlen und Daten haben, können wir auch gegen die strukturelle Diskriminierung vorgehen.“
Weitere Themen: Warum die Digitalisierung in Deutschland nicht vorankommt, was „Gender Data Gap“ ist, warum sie auf ihren Kleiderstil achtet und weshalb sie auf ihre Intuition bei der Karriereplanung vertraut.
Diese Folge ist Teil der „Work-Edition“ mit dem Schwerpunkt Arbeit. Sie wird unterstützt von LinkedIn.
Kommentare von Frank Joung