Martin Hyun ist Politikwissenschaftler, Autor – und der erste koreanischstämmige Eishockeyprofi, der in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gespielt hat. Im Podcast spricht er darüber, wie er über Nacht Deutscher wurde, warum sein Vater auf ihm rumgesprungen ist und warum er in Belgien im Eisstadion gelebt hat. Es geht um Donut-Drive-Bys, rassistische Sportfunktionäre und den Moment, als er wusste, dass er die Geschichte der koreanischen Bergarbeiter und Krankenschwestern aufarbeiten möchte.
Extrem-Sommercamp vom Vater
Martin wird am 4. Mai 1979 in Krefeld geboren. Sein Vater arbeitet als Bergarbeiter, seine Mutter als Krankenschwester – beide sind extra für diese Berufe aus Südkorea gekommen. Als junges Kind stellt ihn sein Vater in Schlittschuhen aufs Eis. Es dauert eine ganze Weile, aber nach einiger Zeit wird Eishockey zu Martins Leidenschaft.
Sein Vater, eigentlich Taekwondo-Meister, fördert und fordert ihn stark. „Er hat mich immer in den Bullykreis gestellt (nach dem Hinfallen) und gesagt: Probier’s noch einmal!“ Sommerferien etwa sind für Martin nicht entspannte Urlaubstage, es fühlt sich mehr an wie ein hartes Sommercamp.
„Die Sommerferien waren für mich nicht so toll und spaßig wie für andere Kinder. Ich habe für Eishockey trainiert und das war extrem durchstrukturiert. Sechs Uhr aufstehen, kalte Duschen nehmen. Die Bücher vom nächsten Schuljahr hatte ich schon zu Hause und die habe ich dann durchgearbeitet.“
Martin ist erfolgreich im Sport. Als er zu den ersten Auswahlmannschaften nominiert wird, wird ihm jedoch klar, dass er nicht für die deutsche Junioren-Nationalmannschaft auflaufen darf – weil er gar keinen deutschen Pass hat. „Das war mir gar nicht bewusst“, sagt Martin. Seine Mutter zieht los zu den Ämtern und besorgt ihm – und der Familie – in einem Kraftakt die deutsche Staatsbürgerschaft, quasi über Nacht.
Rassismus im Sport
Auch wenn er im Eishockeysport seinen Platz findet, erlebt Martin auch oft rassistische Anfeindungen von gegnerischen Teams, Zuschauer*innen oder auch Eltern.
„Gerade nach der Wende war es schwierig. Ich musste mich immer psychisch darauf einstellen, das etwas im Spiel passiert. Dass mir etwas gesagt wird, und wie ich darauf reagiere. Die anderen mussten sich nur sportlich einstellen auf das Spiel, ich musste mich auf beides einstellen.“
Eine prägende Erfahrung ist sein Auslandsaufenthalt in den USA, wo er sich sportlich entwickeln kann, aber auch akademisch gefordert wird. Interessanterweise ist er dort „The German“ – aber er merkt, dass er auch hier einen schwereren Stand hat, weil manche im Sport lieber US-Amerikaner statt Zugezogene sehen würden. „Hier war ich also auch der Ausländer.“
In den USA liest er einen Text von Migrationssoziologen, der sein Leben eine entscheidende Richtung geben sollte. Es geht um die Einwanderungsgeschichte der koreanischen Gastarbeiter*innen in Deutschland. Martin macht es sich zur Aufgabe, diese Geschichte aufzuarbeiten, für die Community aber auch für die deutsche Mehrheitsbevölkerung.
„Für mich war es sehr wichtig, diese Geschichte zu kennen. Das festigt dich ungemein in deiner Identität, die ja auch hierzulande ständig infrage gestellt wird.“
Er widmet diesen „Gastarbeiter*innen-Storys“ viel Zeit und Aufwand, schreibt seine Promotion und ein Buch darüber, initiiert eine Gemeinschaftsbriefmarke zwischen Südkorea und Deutschland – und trifft die Präsidenten beider Länder.
Riesen-Abenteuer in Korea
Martin geht sogar für drei Jahre mit seiner Frau nach Südkorea, um als Technischer Direktor und Manager die Olympischen Winterspiele und Para-Olympics in Pyeongchang in der Disziplin Eishockey mitzuorganisieren. „Das war ein Riesen-Abenteuer und hat mich zehn Jahre Lebenszeit gekostet“, sagt er heute schmunzelnd. Als Belohnung für seine Verdienste der deutsch-koreanischen Beziehungen darf er sogar die Olympische Fackel tragen.
Mit seinem 2010 gegründeten Verein „Hockey is Diversity“ setzt er sich zudem für mehr Vielfalt im immer noch sehr homogen weißen Eishockeysport ein. „Ich möchte was ändern in der Eishockeykultur und erreichen, dass sich Player of Color willkommen fühlen.“
Kommentare von Frank Joung