Vitor Gatinho ist Kinderarzt aus Frankfurt am Main. Der 40-jährige Deutsche mit portugiesischen Wurzeln hat als „Kids.Doc“ große Bekanntheit vor allem unter jungen Eltern erlangt.
Vitor wird am 1. September 1982 in Frankfurt am Main geboren. Seine Eltern kommen aus Portugal und sind seit 1972 in Deutschland. Die Familie lebt in Hoechst, einem damaligem „Brennpunkt“, wie Vitor sagt. Vitor fühlt sich wie ein Einzelkind, obwohl er einen Bruder hat, doch sein sechs Jahre älterer Bruder lebt in Portugal bei den Großeltern.
„Das hört sich so vernachlässigt an, aber ich habe mich immer alleine fertig gemacht und bin alleine zur Schule gegangen, schon mit sechs. Das war halt so.“
Vitor ist wie viele Kinder in migrantischen Familien das Kommunikationsrohr der Familie. Er muss mit zum Amt gehen und Briefe übersetzen. Seine Eltern sprechen nur schlecht deutsch, was auch manchmal ein Vorteil sei. Vitor ist davon überzeugt, dass ihm deshalb viele unangenehme Elterngespräche mit den Lehrer*innen erspart geblieben sei. „Die haben gedacht, die Eltern verstehen das eh nicht und sie deshalb gar nicht erst eingeladen.“
Trash-TV, Alltagsrassismus & Portugalreisen
Er habe keine speziellen Hobbys als Jugendlicher gehabt, erinnert sich Vitor. An Sport hat er keinen Spaß, Bücher gab es zu Hause nur eins, und zwar ein Lexikon von A-K. Aber Vitor liebt es zu fernsehen. Bis heute mag er Trash-TV zum Abschalten. Alltagsrassismus lernt er trotz Multikulti-Umfeld natürlich auch kennen. Auf dem Gymnasium ist er einer der wenigen „Ausländer“, vor dem Club wird er oft abgewiesen: „Nur für Stammgäste“ heißt es dann als Vorwand. „Das war schon ein Dämpfer.“
Jede Sommerferien reist die Familie nach Portugal – im Bus. 36 Stunden Fahrt – ein Horror für Vitor. „Davon bin ich bis heute traumatisiert. Ich hasse, es mit dem Bus zu fahren.“ Essensgerüche, Schweiß, Hitze – Vitor ist dauerübel.
Schock-Erfolg als Kids.Doc
Vitor ist ein guter Schüler und kommt eher durch Zufall zum Medizinstudium. Erst will er Unfallchirurg werden, doch als er in der Kinderklinik arbeitet, wechselt er seine Meinung. Er wird Kinderarzt.
2020 während der Pandemie kommt er auf die Idee, einen TikTok-Kanal zu eröffnen: informativ-lustige Videos, in denen er Tipps und Ratschläge als Kinderarzt gibt: offen, nahbar und gut verständlich. In kurzer Zeit sammelt er viele Follower*innen ein. Mittlerweile folgen ihm bei Instagram fast eine halbe Million Menschen. Neben den Accounts hat er noch einen Podcast und auch ein Buch („Wenn der Rotz läuft und der Pups drückt“) geschrieben. Eine App soll in diesem Jahr folgen.
„Manchmal struggle ich schon (mit Social Media), aber das Gute ist: Ich muss gar nichts. Ich habe einen festen Job, mit dem ich mein Geld verdiene und alles andere ist on Top.“
Lieber Kacka als Stuhlgang
Ein Grund, warum Vitor so erfolgreich ist, ist seine verständnisvolle, unprätentiöse und direkte Art. „Ich sage lieber Kacka als Stuhlgang.“ Da wisse jeder, was gemeint sei. Was ihm ganz wichtig sei: Die Leute müssen ihn verstehen. Das bedeutet: „Ich muss mich auf mein Gegenüber einstellen.“ Auch in der Praxis achte er darauf, dass die Patient*innen nicht mit mehr Fragen rausgehen als sie reingekommen sind. Er müsse die medizinischen Sachverhalte in einfache, verständliche Sprache übersetzen. Im Grunde so ähnlich wie damals mit seinen Eltern:
„Was ich heute mache, ist das Produkt meiner Kindheit“
Weitere Gesprächsthemen: Rassismus in der Medizin, Gangster in der Geriatrie, „Mongolenfleck“ und wie Eltern ihn auf der Straße ansprechen und was Mütter und Väter von heute nicht mehr können, aber lernen müssten.
Kommentare von Frank Joung