Mai Thi Nguyen-Kim ist in Heppenheim geboren, ihre Eltern stammen aus Vietnam. Warum die deutsche Bürokratie für ihren Namen verantwortlich ist, wie die Salami-Theorie ihres Bruders die Familiendynamik beschreibt und wie sie mit dem Wort „Schlitzauge“ umgeht, hört ihr in dieser Folge.
„maiLab“: Wissenschaft goes YouTube
Mai ist eine bekannte Wissenschaftsjournalistin. Ihr Lebenslauf kann sich sehen lassen. Sie hat in Mainz und am Massachusetts Institute of Technology Chemie studiert, in Aachen und Harvard promoviert und moderiert derzeit mehrere TV-Sendungen: „Quarks“, „Planet Wissen“ und „Terra X Lesch & Co“. Außerdem ist sie Dozentin am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation.
Bekannt geworden ist die 30-Jährige aber vor allem durch ihren eigenen YouTube-Kanal „maiLab“ (früher „schönschlau“). In den unterhaltsamen Videos erklärt sie naturwissenschaftliche Phänomene mit viel Kompetenz und Körpereinsatz – und tatsächlich so, dass man sie auch versteht. „maiLab“ ist zurecht für den Grimme Online Award 2018 nominiert (So wie Halbe Katoffl!). Sehr lustig ist zum Beispiel dieses Video, in dem Mai erklärt, was passiert, wenn Asiaten Alkohol trinken – inklusive Selbstversuch.
Dass sie Chemikerin, TV-Moderatorin und bekannte Youtuberin werden würde, hatte sich in Mais frühen Jahren vielleicht nicht unbedingt abgezeichnet, wohl aber, dass sie ihren Weg gehen würde. Denn in der Schule lieferte sie stets sehr gute Leistungen ab – ganz ohne elterlichen Druck, wie sie sagt. Keine Tiger Mum, keine asiatische Rohrstock-Pädagogik. Sie habe einfach gerne gelernt.
„Ich war ein intrinsisch motiviertes Streberkind – und hatte voll Spaß dabei.“
„Schlitzis“ und Sprachpause
In dem kleinen Ort, in dem sie aufwächst, gibt es kaum asiatische Familien. „Ich hatte nur deutsche Freunde“. Große Anfeindungen aufgrund ihrer Herkunft erlebte sie nicht. Trotzdem fällt hin und wieder das Schimpfwort „Schlitzauge“. „Das war für mich als Kind das Schlimmste.“ Aber je älter sie werde, desto mehr komme sie damit klar. „Ich habe das Wort für mich „reclaimt“, sagt sie, indem sie es verniedlicht.
„Mein Bruder und ich sagen ‚Schitzis‘ zu Asiaten – das meinen wir liebevoll.“
Obwohl die Eltern mit Mai und ihrem vier Jahre älteren Bruder vietnamesisch sprechen, fangen die Kinder irgendwann an, nur noch auf Deutsch zu antworten. „Es war ein schleichender Prozess“, sagt Mai. Erst später als Erwachsene habe sie sich die Sprache wieder angeeignet. „Ich habe mehrere Anläufe gebraucht, um wieder reinzukommen. Erst nachdem ich ausgezogen war, habe ich es durchs Telefonieren mit meinen Eltern wieder hinbekommen, dass ich spreche.“ Ihr Bruder hingegen spreche bis heute kein Vietnamesisch, obwohl er so gut wie alles verstehe.
In Vietnam war sie zuletzt mit zwölf Jahren. Aber eine Reise in das Herkunftsland ihrer Eltern ist lose in Planung. „Nach vier Wochen Vietnam ist mein Vietnamesisch bestimmt sehr gut – zumindest erhoffe ich mir das ein bisschen.“
„Es ist wichtig, dass man represented“
Als YouTuberin hat Mai einen Nerv getroffen. Eine junge, schlaue, hippe Frau mit Migrationshintergrund, die Naturwissenschaft kompetent aufbereitet und gewitzt präsentiert? Das ist neu für viele.
„40 Prozent meiner Zuschauer sind weiblich – zumindest von den registrierten Nutzern. Vielleicht sind es sogar noch mehr. Das ist sehr viel für einen naturwissenschaftlichen Kanal. Es ist wichtig, dass man represented, so oberflächlich es auch ist. Diese Oberflächlichkeiten sind so wichtig.“
Die hohen Klickzahlen und das positive Feedback, vor allem auch von jungen Mädchen, motivieren Mai, weiterhin Naturwissenschaften auf YouTube alltagsnah zu erklären. Zwar bekomme sie auch gelegentlich Hasskommentare – „regelmäßig, aber selten“, es überwiegten jedoch eindeutig die positiven Rückmeldungen.
„Das Schönste ist, wenn mir Jungs wie Mädchen schreiben, dass sie durch mich auf Naturwissenschaften gekommen sind und deswegen eine Ausbildung oder ein Studium angefangen haben. Das kriege ich sehr viel – und das ist wunderschön.“
Mai auf Instagram @maithink
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Kommentare von Frank Joung