Pouria Taheri sagt von sich selbst: „Ich würde jede Hertha-Kneipe überleben.“ Der in Teheran, Iran, geborene 38-Jährige navigiert sich seit seiner Kindheit mit iranischer Höflichkeit und Berliner Schnauze durchs Leben, als Sportler, Arzt und Halbe Katoffl.
Teheran – Radevomwald – Neukölln
Pourias Eltern mussten Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre ihr Heimatland Iran verlassen. Die Wirren der islamischen Revolution zwangen die beiden Ärzte zu dem schwerwiegenden Schritt Richtung Ausland. Pouria war – ebenso wie sein auf den Tag genau ein Jahr jüngerer Bruder – noch im Kleinkindalter, als es die Familie aus Teheran nach Radevomwald, einem kleinen Örtchen in der Nähe von Wuppertal, verschlug.
Pourias erste Eindrücke von Deutschland sind geprägt von der „Riesen-Wiese hinterm Haus“, He-Man-Actionfiguren und Fasching. Die wirklich prägenden Kindheits- und Jugenderlebnisse stammen aber aus Neukölln. In diesen Bezirk Berlins zogen die Taheris.
„Ich habe meine Kindheit extrem glücklich in Erinnerung. Meine Eltern mussten zwar viel arbeiten, aber auf der Straße gab es immer einen Haufen Kinder, mit denen du Faxen machen konntest.“
„Ihr sprecht alle deutsch“
Neuköllns multikultureller Background hat Pouria geprägt. Ein Großteil seiner Freunde hat einen Migrationshintergrund; seine Frau ist Berlinerin mit türkischen Wurzeln.
Die Herkunft habe immer eine Rolle gespielt, damals bei den Kids in seiner Nachbarschaft. „Wir haben es abgecheckt, wer woher kommt. Es war immer ein Thema, dass du mit gewissem Stolz zum Beispiel gesagt hast: Ich bin Iraner“, sagt Pouria. Die jeweilige Herkunft war eine Möglichkeit der Abgrenzung, aber zugleich auch ein vereinendes Element, wie Pouria berichtet.
„Meine Grundschullehrerin hat gesagt: ‚Es mag sein, dass ihr alle irgendwoanders herkommt, aber ihr sprecht miteinander deutsch. Das vereint euch und ihr dürft nie vergessen, dass das auch zu vereinen ist.‘ Das war ein signifikanter Spruch!“
Wer sind die Guten und wer die Bösen?
Bei den Taheris spielt Religion keine große Rolle, dafür aber traditionelle persische Werte wie Respekt vor dem Alter, ein höflicher Umgangston und überschwengliche Gastfreundschaft. „Wir haben den Sozialismus der UdSSR auf der einen Seite und und den Kapitalismus der USA auf der anderen Seite gesehen. Für uns gab es immer die Frage: Wer sind die Guten und wer die Bösen? Unseren Eltern war es immer wichtig, uns ein aufgeklärtes Weltbild mitzugeben.“
Genau wie seine Eltern ist Pouria Arzt geworden – obwohl er zunächst eine gewisse Abwehr dagegen hatte, den gleichen Beruf wie sie zu ergreifen. Er wolle keine Kopie seiner Eltern sein. „Irgendwann habe ich gesagt: Ich bin ich.“
Seine Mutter habe ihm immer wieder erklärt, dass man als Arzt stets einen schnellen Zugang zur Gesellschaft, selbst zu fremden Kulturen, finden könne. Dies bestätigt sich für Pouria heute. Als Arzt hat er Kontakt zu allen Gesellschaftsschichten. Ob das im Krankenhaus in Marzahn ist, im Olympiastützpunkt Pankow oder bei der RunBase von adidas, wo er als „Medical Coach“ Freizeitläufer berät.
„Dein Verhalten ist Blueprint für andere“
Pouria sieht es als seine Aufgabe an, gerade Menschen, die wenig in Berührung kommen mit Ausländern oder Halben Katoffln, eine gewisse Toleranz entgegenzubringen und selbst abwertende Äußerungen so gut es geht mit Humor und einem Lächeln zu kommentieren. „Denn diese Menschen nehmen dein Verhalten womöglich als Blueprint für andere Menschen mit Migrationshintergrund.“ Sein Erfahrungsschatz und seine individuelle Mischung aus iranischer Höflichkeit und Berliner Schnauze kommen ihm dabei zugute.
„Deutschland ist für ewig meine Heimat, weil es mir etwas gegeben hat – im schwächsten Moment meiner Familie.“
Weitere Themen: Schönheits-Operationen im Iran, iranische Filme, persisches Essen, Familienbesuch mit Hindernissen, Laufen als Integrationsweg.
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Kommentare von Frank Joung