Kristina Vogel ist eine der erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen – bis zu ihrem schweren Unfall. Seitdem ist sie querschnittsgelähmt. Bei Halbe Katoffl spricht die in Kirgistan geborene 29-Jährige über ihre Herkunftsgeschichte, warum sie keine Motivation hat, ihren leiblichen Vater zu treffen und warum sie Olympia für magisch hält.
Kristina wird im November 1990 in Leninskoje, Kirgistan, geboren. Nach der Wende kehrt ihre Familie zurück nach Deutschland. Die ersten drei Jahre verbringt sie in einem „Asylantenheim“ in Thüringen. Erinnerungen daran hat sie allerdings keine. Sie wächst mit ihrer Mutter und deren Partner auf, den sie als ihren Vater bezeichnet. Ihren leiblichen Vater hat sie nie kennengelernt.
Münzwurf entscheidet
In jungen Jahren muss sich Kristina für eine Sportart entscheiden. Sie tanzt gerne und fährt gerne Fahrrad. Sie wirft eine Münze – und „Tadah, Radsport hat’s entschieden“, sagt sie.
Das Leben der jungen Kristina richtet sich nach und nach immer mehr aufs Radfahren aus. Sie besucht die Sportschule, wird mehrfache Juniorenweltmeisterin, wird zum Bundeskader eingeladen und macht eine Ausbildung in der Polizei-Sportfördergruppe.
Koma nach Radunfall
Nach einem schweren Radunfall 2009 liegt sie mit mehreren Knochenbrüchen zwei Tage lang im künstlichen Koma.
„Ohne Helm wäre ich gestorben.“
Der Verursacher des Unfalls, ein Polizist höheren Ranges, der ihr mit dem Auto die Vorfahrt nahm, hat sich bis heute nicht entschuldigt.
Nach bereits acht Monaten sitzt sie wieder im Sattel – und fährt die beste WM einer Deutschen bis dahin. Über ihre unglaublich schnelle Rückkehr zum Sport wundert sie sich heute selber. Aber sie kennt auch den Grund. „Ich war einfach noch nicht fertig mit dem Sport.“
In den Jahren fährt sie Erfolg um Erfolg ein. Zwanzig deutsche Meisterschaften, vier EM-Siege, elf Weltmeistertitel, zwei Olympiasiege. Bei den Olympischen Spielen in Rio geht ihr hauchdünner Sieg im Einzelfahren um die Welt, weil sie bei der Zieleinfahrt den Sattel verliert.
„Ich kann nie wieder laufen“
Am 26. Juni 2018 nimmt Kristina Vogels Leben eine folgenreiche Wendung. Beim Training fährt sie auf einen anderen, stehenden Radfahrer auf der Bahn auf. Schon auf der Bahn wird ihr klar: „Ich werde nie wieder laufen können. So wie alle zu mir gelaufen kamen, wusste ich, es ist ernst.“
Die nächsten zwei Wochen kämpft sie um ihr Leben. Noch im Krankenhaus sagt sie ihrem Lebensgefährten, dass ihre sportliche Karriere vorbei ist: „Ich mache Schluss.“
Ihr Leben danach ist geprägt von der Umstellung. Sie ist querschnittsgelähmt. Von der weltweiten Anteilnahme, von der sie erst später erfährt, ist sie überwältigt: „Aber mir tat weh, wie ich mit der Nachricht vielen Menschen wehgetan habe. Ich dachte immer: Ich kann damit umgehen.“
Wie beeindruckend sie damit umgeht, hat sie in unzähligen Auftritten und Interviews gezeigt. Sie sagt:
„Ich kann ein selbstbestimmtes Leben führen. Ich bin immer noch ich. Nur anders.“
Und sie sagt auch: „Ich bin dem Unfall fast dankbar.“ Sie mag ihr Leben ohne Leistungssport. Während ihrer aktiven Zeit habe sie auf viel verzichten müssen. „Ich konnte das alles gar nicht richtig genießen.“
„Ich genieße mein Leben“
2020 wäre sie gerne wieder zu Olympia gefahren, diesmal als TV-Kommentatorin, aber auch so habe sie viel erlebt in den vergangenen zwei Jahren: „Ich war erst mit 28 auf meinem ersten Konzert!“. Sie hält Motivationsvorträge, durfte beim Bambi-Preis eine Laudatio halten, ist aus dem Flugzeug gesprungen – mit Fallschirm.
Sie konnte endlich mal länger entspannt Urlaub machen, hat unzählige Promis getroffen – und wurde mit einer eigenen Barbiepuppe ausgezeichnet. „Ich genieße mein Leben total.
„Aus ganz, ganz viel Scheiße ist was ganz, ganz Tolles entstanden.“
Weitere Themen: Was „QueenBee“ bedeutet, wie man in vier Stunden nach Mexiko fliegt (gar nicht), warum die Polizei wichtig war für ihre Zukunft, wieso der Sänger Clueso sie auf Händen getragen hat und wer bei ihrem Treffen mit Run DMC den Hut auf hatte.
Die Serie “Halbe Katoffl Sport“ ist im vergangenen Jahr in Kooperation mit „Integration durch Sport“ entstanden, anlässlich dessen 30-jährigen Jubiläums. Das Bundesprogramm wird vom Bundesinnenministerium und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Wegen des großen und positiven Zuspruchs wird die Podcastreihe in diesem Jahr fortgeführt. Sie erscheint immer Mitte des Monats. Hier findest du die anderen Sport-Episoden.
Kommentare von Frank Joung