Artikel verfasst von Frank Joung

Diana Doko wurde 1972 in Berlin geboren. Ihr Vater kommt aus dem heutigen Nord-Mazedonien, ihre Mutter aus Serbien. Bei Halbe Katoffl spricht sie über Jugo-Gerichte, den Suizid ihres Bruders und ihren Verein „Freunde fürs Leben.“

„Meine Eltern sind immer sehr tolerant gewesen“, sagt Diana Doko heute rückblickend. Die Wohnung in Berlin steht immer für alle offen. Die Mutter raucht mit Dianas Freunde*innen auf dem Balkon, ständig war jemand zum Essen da. Selbst Weihnachten war die Bude voll. Obwohl Diana Gesellschaft mag, wurde es ihr manchmal zu viel. „Der Trubel hat mich auch manchmal genervt.“

„Du. Unterschreiben. Hier.“

Die Eltern lernen sich in den 1960er Jahren in Berlin kennen, Diana und ihr Bruder Enis wachsen in Wilmersdorf, Westberlin, auf. Damals, vor den Jugoslawien-Kriegen, nehmen sich die Eltern als „Jugos“ wahr.

Diana hat nach eigener Aussage vor allem „deutsche Freunde“. Ihre Herkunft spielt im Alltag kaum eine Rolle, aber bei den regelmäßigen Behördengängen im Ausländeramt – Diana hat den jugoslawischen Pass – wird sie offen diskriminiert.

„Ich habe es gehasst da hinzugehen. Die haben immer gesagt: ‚Du. Unterschreiben. Hier.‘ Und selbst wenn ich geantwortet habe: ‚Entschuldigung, ich verstehe ganz gut Deutsch‘, kam als Antwort: ‚Ja ja, du. Unterschreiben. Hier.‘ Da habe ich gemerkt: Ich bin doch nicht von hier.“

Diana ist eine gute Schülerin, politisch interessiert und aktiv. Sie engagiert sich in der Antifa, organisiert als 16-Jährige Besuche nach Auschwitz. Nach dem Abi studiert sie in Paris Literaturwissenschaften, versucht sich an Schauspielschulen und nimmt – trotz mehrerer erfolgreicher Aufnahmeprüfungen – ein Jurastudium auf. Nur um sich dann, nach nur drei Jahren Studium, einen Tag vor dem ersten Staatsexamen zu entscheiden, die Prüfung nicht abzulegen und für eine PR-Agentur zu arbeiten. In der PR arbeitet sie heute noch, aber die Entscheidung, den Abschluss nicht zu machen, begleitet sie bis heute.

„Da hätte ich mir deutschere Akademikereltern gewünscht, die mir gesagt hätten: Das ziehst du jetzt noch durch.“

„Ich dachte, ich stürze mich vom Balkon“

Das bedeutsamste Lebensereignis für Diana ist der plötzliche Tod ihres vier Jahre jüngeren Bruders Enis. 1998 nimmt er sich im Alter von 22 Jahren das Leben. Er litt unter Depressionen – wovon die wenigsten seiner Freunde wussten. Diana hatte immer Angst gehabt, dass dieser Anruf kommen würde. Als er kam, „dachte ich, ich stürze mich vom Balkon. Ich kann nicht beschreiben, was das für ein Schmerz war.“

In der Zeit der Trauer macht sie die Beobachtung, dass die Art zu trauern sehr unterschiedlich – und anscheinend auch kulturell beeinflusst ist. Während die Freunde ihres Bruders – viele mit Migrationshintergrund: türkisch, arabisch, jüdisch – einfach da sind, täglich im Haus der Mutter zusammenkommen und die Gemeinschaft suchen, weichen ihre „deutschen Freunde“ ihr eher aus und behandeln sie zum Teil wie eine „Aussätzige“.

„Ich habe gemerkt: Die Freunde meines Bruders hatten keine Angst bei meiner Mutter zu sein und jeden Tag alles auszuhalten. Es war Full House, wir haben zusammen geweint, zusammen gelacht und über ihn geredet. Es ist eine andere Art zu trauern, eine andere Art, mit Toten umzugehen. Mir hat das wahnsinnig gut getan. Mein deutscher Freundeskreis war nicht da.“

Freunde fürs Leben e.V.

Diana gründet mit einem befreundeten Kollegen den Verein „Freunde fürs Leben„, der Aufklärungsarbeit leistet zu den Tabuthemen Depressionen und Suizid.

„Mehr als 10.000 Menschen nehmen sich jedes Jahr das Leben. Das sind mehr als durch Alkoholmissbrauch, Drogen, Verkehrsunfälle und Aids zusammen. Das weiß aber keiner, weil es keine offiziellen Zahlen darüber gibt.“

Diana hat es sich zur Aufgabe gemacht, dafür zu kämpfen, dass die Themen Depressionen und Suizid auch auf die gesundheitspolitische Agenda der Bundesregierung kommen. Denn nur dann müssten Statistiken veröffentlicht werden, was wiederum die Aufmerksamkeit und die Dringlichkeit, die Themen auch zu behandeln, steigern würde.

Persönlich, so sagt sie, habe sie den Verlust ihres Bruders in ihr Leben integriert. „Ich habe schnell gelernt, mir keine Vorwürfe zu machen. Ich war aber auch nie sauer. Er tat mir vor allem leid. Denn wie verzweifelt muss man sein, wenn man keinen anderen Ausweg (als Suizid) kennt.“

Weitere Themen: Skurille Begegnungen mit Skinheads, zerstocherte Kuchen an der Grenze, wie es ist, sein eigenes Gesicht riesengroß auf Litfaßsäulen zu sehen und wie man PR und soziale Themen geschickt verbindet.

Spenden an Freunde fürs Leben e.V.: www.frnd.de

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