Artikel verfasst von Frank Joung

Chima ist Frankfurter mit nigerianischen Eltern. Der 47-jährige Sänger spricht über die komplexe Beziehung zu seinem Vater, die Frage, ob man schwarz, deutsch und Popsänger sein kann – und Lego-Bausteine, die sein Leben verändern sollten.

Chima Onyele wird 1972 in Frankfurt am Main geboren. Er hat zwei leibliche Brüder und einen Adoptivbruder. Sein Aufwachsen in der hessischen Großstadt empfindet er im Nachhinein als entspannt – zumindest, was das soziale Umfeld angeht. Frankfurt ist sehr divers. Trotz der kulturellen Vielfalt ist er unter den „Ausländern“ immer der einzige Schwarze.

Zu Hause allerdings geht es etwas rougher zur Sache. Sein Vater ist stark reglementierend, furchteinflößend und dominant. „Es gab Chima vor der Haustür und Chima hinter der Haustür.“ Und dahinter gab es bei Ärger auch schon mal „Fünf auf den Arsch mit der Gummi-Antenne.“

„Meine ganze Jugend war von Kompensation gezeichnet. Biodeutsche habe ich nicht verstanden. Ich war ständig in the Middle und musste meinen Weg finden und mich durchdribbeln. Aber jetzt habe ich das Privileg, auf ein großes Repertoire an Lösungsansätzen zurückgreifen zu können.“

Mit seinem Vater, so betont Chima, habe er – nach seinem psychologischen „Vatermord“ – mittlerweile ein viel besseres, durchaus liebevolles Verhältnis.

Das erste Mal Nigeria – WTF!

Mit 16, 17 Jahren besucht Chima das erste Mal das Heimatland seiner Eltern. Von den vier Wochen in Nigeria ist ihm vor allem eins in Erinnerung geblieben: Die Fülle an „What the Fuck!“s. Ob es die gefühlt 200 Bettler vor dem Flughafen sind, die Polizisten, die man bezahlen muss, damit man nicht überfallen wird, oder das ständige Geschrei – der junge Chima denkt die ganze Zeit: „WTF!“

Aber er sieht auch, wo sein Vater herkommt und begreift, welchen unglaublich langen und steinigen Weg er vom afrikanischen Dschungel in die deutsche Universität – sein Vater ist Bau-Ingenieur – zurückgelegt hat.

Vaterbefreiung durch Berufswahl

Als Chima die musikalische Leidenschaft zum Beruf machen will, zieht der Vater nicht mit. „Da war er raus.“

„Als mich mein Vater bei der Berufswahl als konfus und verloren abgestempelt hat, da fing die Befreiung sukzessive an“

Chima entdeckt den US-amerikanischen Hip Hop, vor allem Conscious-Rap. Er fängt selbst an zu rappen. „Durch Rapmusik habe ich angefangen, Gefühle in Form zu bringen und zu strukturieren und über die Rapform zum Ausdruck zu bringen.“ Moses Pelham, der mit dem Rödelheim Hartreim Projekt zu diesem Zeitpunkt bereits große nationale Erfolge erzielt, ist dabei ein wichtiger Mentor.

Doch nach ein paar Jahren merkt er, dass er dem Machogehabe und dem kompetitiven Charakter von Hip Hop nicht so viel abgewinnen kann, er will Inhalte vermitteln – und singen.

Was ihn bis heute begleitet, sind die Stereotypen von Schwarzen Menschen, die Musik machen. Viele wollen in ihm nur den Rapper sehen und nicht den Popsänger. „Wenn du keine Klischees bedienst, ist das Publikum überfordert.“

Chima: Keine Liebe

2020 bringt er nach längerer Pause wieder eine neue Single raus: „Keine Liebe“. In dem Lied heißt es unter anderem:

„Papa hat gesagt: „Junge.
Fall nicht auf und sei brav, Junge.
Häng dich rein, acker hart, Junge.
Heirat in weiß und werd Arzt, Junge.“

Auch wenn Chima das Gefühl hat, dass Deutschland selbst in 2020 anscheinend noch nicht bereit ist, einen schwarzen deutschen Popsänger zu akzeptieren – er will seinem Weg treu bleiben.

„Ich steh nicht auf Korsette und sie stehen mir auch nicht. Wir sind immer noch in Pionierzeiten. Ich bin nicht entmutigt.“

Weitere Themen: Wie Lego-Bausteine sein Leben veränderten, wie sein „Tagesthemen-Test“ aussieht und warum er sich früher beim Eiskaufen mit seinem Dad geschämt hat.

Name Dropping: Clueso, Tim Bendzko, Moses Pelham, Nelson Müller, Chima Ede, LL Cool J, Rakim, Digable Planets & De La Soul.

Chima auf Instagram: @chimamusic

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