Artikel verfasst von Frank Joung
Diese Episode ist Teil der Serie „Sport-Edition“

Rapper Sylabil Spill hat kongolesische Wurzeln. Der 37-Jährige spricht über seine fast tödliche Infektionskrankheit, rücksichtslose Nazi-Hacker und darüber, wie er mit seinen Aggressionen, ausgelöst durch Rassismus, Trauma und Diskriminierung, umgeht.

Sylabil Spill heißt in Wirklichkeit Musitu-Patrique Kumuini-Mpemba. Er wurde 1983 in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (ehemals Zaire), geboren. Dort ist er auch die ersten Jahre seines Lebens aufgewachsen, bis er seiner Mutter und seiner Schwester nach Deutschland folgt.

„Ich war ein Jahr alleine bei meiner Großmutter – ohne meine Mutter und Schwester. Ich war super traurig, super verzweifelt. Ich bin aufgrund der Trauer krank geworden.“

Zu seinem leiblichen Vater hat er keine Bindung: „Der Kontakt war nicht gut: politisch und zwischenmenschlich.“ An der Infektionskrankheit, von der bis heute nicht genau weißt, wie sie heißt, wäre er fast gestorben.

Barfuß im Flugzeug

Als er dann mit sieben Jahren – im Winter und barfuß im Flugzeug – nach Deutschland kommt, empfindet er die Menschen und das Land als „unheimlich kalt“, erinnert er sich. „Ich habe die ganze Zeit nach einem lachenden Gesicht gesucht – aber keins gefunden.“

Das Einleben in dem neuen Land gestaltet sich als schwierig. „Schule war eine Katastrophe.“ Schüler*innen setzen sich von ihm weg, beschimpfen ihn als „Affe“ und mit dem N-Wort, selbst Lehrer*innen machen rassistische Sprüche. „In der zweiten Klasse fing ich langsam an zu verstehen, in der Dritten konnte ich es dann deuten – und da wars vorbei. Da habe ich mich körperlich gewehrt.“

Erst der Sport verschafft ihm nachhaltige Erfolgserlebnisse. Musitu ist nach eigenen Angaben „unfassbar athletisch“. „Ich war immer der Größte.“ Er spielt sehr erfolgreich Fußball, macht Leichtathletik – Mehrkampf und Sprint – und später Basketball.

„Ich habe natürlich erkannt: Wenn du Leistung bringst, kann es sein, dass du akzeptiert wirst. Kann sein, muss aber nicht. Durch Sport bin ich in bestimmte Kreise gekommen, in die ich normalerweise nicht reingekommen wäre. Aber selbst im Sport gab‘s Rassismus.“

„Ich war sehr wütend“

Vor allem als Jugendlicher findet Musitu kaum andere Lösungswege als die körperliche Auseinandersetzung. Die ständige Ausgrenzung, die offene Diskriminierung nagen an ihm.

„Ich war sehr wütend und habe die Welt nicht verstanden, ich habe viel gehasst. Ich habe gedacht, dass es gut ist, wenn ich hasse. Irgendwann wollte ich Konflikte nur noch mit Gewalt lösen. Du schlägst dich, aber innen drin weißt du immer, dass das falsch ist.“

Nur vor seiner Mutter hat er Angst. Als er einem Mitschüler bei einem Kampf beide Arme bricht, bezieht er danach Prügel von seiner Mutter. Im Nachhinein weiß er, warum seine Mutter so streng war. „Meine Ma musste streng sein. Wir waren illegal im Land. Sie hatte vier Jobs. Wenn sie bei der Arbeit war, durften wir nicht raus. Wir waren arm, aber sie hat uns gut durchgeboxt.“

Irgendwann kommt Hip Hop in sein Leben, beim Rappen paart er lyrisch-gewitzte Texte mit aggressiv-brachialer Schonungslosigkeit in der Ausdrucksweise. „Ich schreibe, was ich machen würde, damit ich es nicht mache. Die Vortragsweise war da, um zu kaschieren wie ich mich eigentlich fühle.“

Er hat mehr und mehr Erfolg mit der Musik, aber er merkt auch, dass er „vielen zu viel ist“. „Für mich gibts kaum eine Schublade. Ich kann zu viel. Ich galt immer als sophisticated – aber dangerous.“ Eine Mischung, die viele, auch in der Musikindustrie, verwirrt.

„Sensible Inhalte“

Derzeit arbeitet er an einem neuen Album, es soll im März 2021 herauskommen und eine „gerappten Nacherzählung“ werden, in dem er vor allem die Erlebnisse und Erfahrungen der letzten Zeit verarbeiten will.

Rechte Hacker hatten dieses Jahr seinen Instagram-Account gehackt und derbe rassistische Dinge unter seinem Namen online gestellt, es wurde zudem 50.000 Euro von seinem Konto gestohlen und er bekommt regelmäßig Hate-Nachrichten. „Ich möchte selbsttherapierend noch eine Platte machen.“ Die erste Single kam Anfang Dezember 2020 raus. Sie heißt: „Sensible Inhalte“.

„Jeder soll mitbekommen, was passieren kann. Jeder soll sich die Frage stellen, was tue ich dagegen?“

Was ihn positiv hält, ist die sinnstiftende Arbeit mit den Tracksrunner, eine Nachwuchs-Leichtathletikgruppe, die er trainiert. „Die Kids helfen mir. Die wissen das gar nicht, aber sie helfen mir.“

Die Serie “Halbe Katoffl Sport“ ist im vergangenen Jahr in Kooperation mit „Integration durch Sport“ entstanden, anlässlich dessen 30-jährigen Jubiläums. Das Bundesprogramm wird vom Bundesinnenministerium und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Wegen des großen und positiven Zuspruchs wird die Podcastreihe in diesem Jahr fortgeführt. Sie erscheint immer Mitte des Monats. Hier findest du die anderen Sport-Episoden.